Die Künstlerbiografie um die Beziehung zwischen dem Maler Pierre Bonnard und seiner Lebensgefährtin Marthe zeigt in leuchtenden Farben, die in der Komposition an Gauguin und van Gogh erinnern, eine große Liebe über einen Zeitraum von beinahe 50 Jahren.
Pierre Bonnard war – im Gegensatz zu den beiden anderen genannten Kollegen – schon zu Lebzeiten bekannt und wurde durch seine Kunst zum wohlhabenden Mann. Der Film erzählt mit viel Zeitkolorit eine relativ undramatische Geschichte, in der Bonnard selbst und seine spät impressionistischen Werke weniger im Fokus stehen als die geheimnisvolle Marthe, sehr gut gespielt von Cécile de France („Verlorene Illusionen“).
Webseite: https://prokino.de/
Frankreich 2023
Regie und Drehbuch: Martin Provost
Darsteller: Cécile de France, Vincent Macaigne, Stacy Martin, Anouk Grinberg
Kamera: Guillaume Schiffman
Länge: 122 Minuten
Verleih: Prokino
Start: demnächst
FILMKRITIK:
Die Biografie über Pierre Bonnard (Vincent Macaigne) und seine lebenslange Muse Marthe de Meligny (Cécile de France) handelt weniger von Bonnards Künstlerlaufbahn als impressionistischer Maler farbenfroher Gemälde, deren verborgener Sinn sich manchmal erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließt, als von der Beziehung des Paares und vom Einfluss, den Marthe als sein Lieblingsmodell beinahe 50 Jahre lang auf ihn ausübte – im Kern handelt es sich also um eine Liebesgeschichte.
Martin Provost („Ein Kuss von Beatrice“) erzählt die Geschichte dieser Beziehung und hat sich offenbar vorgenommen, beiden Persönlichkeiten gerecht zu werden. In seinem Biopic über die Malerin Séraphine (2007) konnte Provost bereits zeigen, wie sich ein Künstlerleben in wunderbare Bilder verpacken lässt. Auch sein neuester Film fällt durch einen eleganten Umgang mit der Bildsprache auf. Darin spiegeln sich Bonnards Qualitäten, der auch als „Maler des Lichts“ tituliert wurde. Doch so schön die Bilder sind: Der Maler Pierre Bonnard wirkt hier als Persönlichkeit eher unauffällig oder anders gesagt: ziemlich langweilig. Im echten Leben muss er wohl – Marthe hin, Marthe her – ein echter Hallodri gewesen sein, dem die Frauen hinterherliefen. Im Film jedoch spielt ihn der sympathische Vincent Macaigne („Tagebuch einer Pariser Affäre“), eigentlich gar nicht als Schürzenjäger. Zwar ist zu sehen, dass Bonnard von Frauen umschwärmt wird, vor allem von den superreichen aus der Haute Volée, was schon marketingtechnisch für ihn extrem praktisch war, doch seine Wirkung auf Frauen wird hier mehr behauptet als gezeigt. Bonnard hat gar nicht so viel zu tun, manchmal wirkt er beinahe passiv und eher wie ein braves Bürgerlein, obwohl er eigentlich als einer der letzten Vertreter der französischen Bohème galt – dem Inbegriff von Sorglosigkeit und Unkonventionalität, eine Art Hippie des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Vielleicht wäre es doch interessanter gewesen, Bonnard so zu zeigen, wie er wirklich war: ein Frauenheld, der hinter jedem Rock her war und dem sich die Damen bereitwillig hingaben. Seine brave Zurückhaltung lässt auch die Beziehung zu Marthe in einem anderen Licht erscheinen. In der Realität wusste sie von seinen ständigen Affären und blieb trotzdem bei ihm. Im Film verläuft die Beziehung zwischen den beiden über weite Strecken relativ konfliktfrei, bis auf den Anfang, wenn sich Marthe in seinen Schickimicki-Bohème-Kreisen unwohl fühlt. So verlaufen dann auch große Teile des Films in freundlicher Harmonie. Die beiden Liebenden springen spärlich bekleidet oder vollkommen nackt durch die Landschaft rund um ihr Landhaus, um alsbald in Leidenschaft übereinander herzufallen.
Die Krise im Film ist dann beinahe überraschend: eine Affäre mit Bonnards Modell, der wunderschönen Renée Monchaty, gespielt von Stacy Martin, die durch „Nymphomaniac“ (Lars von Trier) bekannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt sind Pierre und Marthe schon an die 30 Jahre zusammen, sie war die gesamte Zeit über sein Lieblingsmodell, und nun malt Bonnard nur noch Renée. Und die Krönung ist: Er will sie sogar heiraten, was er Marthe bisher verwehrt hatte. Jetzt reicht es Marthe. Sie sorgt dafür, dass Pierre Renée verlässt und dass er praktisch alle Bilder vernichtet, auf denen die Nebenbuhlerin zu sehen ist. Schließlich heiraten Marthe und Pierre – Renée hingegen begeht Selbstmord. Und eigentlich wäre diese Geschichte von der Dreiecksbeziehung des Malers zu den beiden Frauen schon Stoff genug für einen Spielfilm gewesen, doch offenbar wollte Martin Provost die gesamte Beziehung in epischer Breite darstellen.
Cécile de France, die mit der Komödie „L’auberge espagnole“ bekannt wurde, hat als Marthe eigentlich die interessantere Rolle, schon allein wegen ihrer Geheimnisse, die sie sogar vor Pierre verbirgt, wie zum Beispiel ihre Herkunft und ihren wirklichen Namen. Aber Marthe ist nun mal die weniger prominente Persönlichkeit. Das ist ein Widerspruch, den der Film nicht auflösen kann. Vielleicht auch deshalb wirkt Martin Provosts Interpretation dieser Langzeit-Künstlerliebe gelegentlich etwas unentschieden und kann inhaltlich nicht so richtig überzeugen. Die Persönlichkeit der Marthe bleibt unscharf, was auch wieder interessant ist, denn Bonnard malt sie auf den vielen, oft intimen Porträts und Aktbildern fast immer mit nicht erkennbaren Gesichtszügen. Insofern schließt sich hier ein Kreis – doch die Geheimnisse bleiben, sie verblassen aber hinter den exquisiten Bildern einer ungewöhnlichen Künstlerbeziehung.
Gaby Sikorski