Brighton Rock

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In der kraftvollen Neuverfilmung von Graham Greens berühmten Roman spielt Sam Riley den jungen Kriminellen Pinkie. Im Seebad Brighton wird er in einen Mord verstrickt, dessen Vertuschung zu komplexen moralischen Verwicklungen führt. Ein interessanter Debütfilm, der vor allem optisch überzeugt und mehr von seiner bedrohlichen Atmosphäre lebt als von runden, glaubwürdigen Charakteren.

Webseite: www.brightonrock.de

GB 2010
Regie: Rowan Joffe
Drehbuch: Rowan Joffe, nach dem Roman von Graham Greene
Darsteller: Sam Riley, Andrea Riseborough, Helen Mirren, John Hurt, Phil Davis, Nonso Anozie
Länge: 111 Min.
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 21. April 2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Als Spiegel der Zwischenkriegsjahre geschrieben, 1938 veröffentlicht, war „Brighton Rock“ der erste große Erfolg des später vor allem für seine Agentenromane bekannten Graham Greene. In der ersten Verfilmung von 1947 spielte der spätere Star-Regisseur Richard Attenborough die Hauptrolle des jungen Kriminellen Pinkie. Nun also eine Neuverfilmung, gleichzeitig das Regiedebüt des Drehbuchautors Rowan Joffe. Schauplatz ist erneut das Seebad von Brighton, die Geschichte wurde aber in die 60er Jahre verlegt. Ein etwas unbefriedigender Kompromiss, der schon andeutet, dass die Figurenkonstellation in Greenes Roman für die heutige Zeit wenig Relevanz hat, die psychologischen Abhängigkeiten kaum noch glaubwürdig sind.

Am Anfang von „Brighton Rock“ steht ein Mord, den der junge, heißblütige Pinkie (Sam Riley) aus nächster Nähe mit ansieht. Opfer war der Chef von Pinkies Bande, die nun auf Rache sinnt. Doch statt dem Täter eine Abreibung zu verpassen, tötet Pinkie ihn und setzt damit die Ereignisse in Gang, die zu seinem Untergang führen werden. Nicht nur hat er einen Angestellten des Gangsterboss Colleoni getötet, es gibt auch einen Zeugen: Die naive, unschuldige Kellnerin Rose (Andrea Riseborough) hält fortan unwissend den Schlüssel zu Pinkies Überleben in der Hand. Doch statt sie zu töten – wie es offenbar Usus wäre – macht Pinkie ihr den Hof und heiratet die Unschuld von Lande gar, denn als seine Ehefrau kann sie nicht zur Aussage gegen ihren Mann gezwungen werden. In Wirklichkeit aber verfolgt Pinkie unbewusst andere Ziele, sieht er in Rose eine Art Rettung vor dem brutalen Leben als Gangster, die Chance auf Wärme, auf eine Familie, auf Liebe.

Das Problem des Films ist, dass dieser Zwiespalt in Pinkies Verhalten, seine vorgetäuschte Aversion gegen Rose, die seine ihm selbst kaum bewusste Liebe zu ihr kaschieren soll, nicht mehr als Behauptung bleibt. Sam Riley ist zwar überzeugend als brodelnder, wütender junger Gangster, der sich mit allen Mitteln an die Spitze seiner Bande setzen will, die Abgründe seines Charakters aber bleiben verborgen.

So greift Rowan Joffe zu allen erdenklichen Stilmitteln zurück, um die Tragik der Geschichte auch dort fühlbar werden zu lassen, wo die Figuren zu schwach bleiben. Nachgerade operettenhaft überzeichnet wirken bisweilen die Aufnahmen vom tobenden Meer, die düsteren Himmel über dem berühmten Pier von Brighton (auch wenn in Eastbourne gedreht wurde), der Regen fällt nicht nur, er peitscht und tobt aufs Dramatischste, die Weiten des Meeres eignen sich natürlich ohnehin als Versinnbildlichung von Melancholie und Verlorenheit. So lebt „Brighton Rock“ in erster Linie von seiner Atmosphäre, der Evozierung der sechziger Jahre mit ihrem Aufbruch der Jugendkultur, den Kämpfen zwischen Rockern und Mods und weniger von einer überzeugenden Adaption der komplexen moralischen Fragen, die Graham Greene in seinem Roman verhandelte.

Michael Meyns

Seebad Brighton, England, 1964. Wie die anderen Länder macht auch England eine gesellschaftliche Wandlung durch. Der Aufbau und Friede der unmittelbaren Nachkriegszeit ist vorbei, die Jugend wacht auf, muckt auf, steht auf. Die Gesellschaftskritik und die Pop-Kultur ist im Schwange. Auf den Straßen fahren sie, nie allein sondern immer en masse, auf ihren Scootern herum und machen Menschen und Welt unsicher.

Auch die Alt-Rocker und kleinen Gangsterbanden verschaffen sich Platz. Mitglied einer der letzteren ist Pinkie, der, weil einer aus seiner Gang getötet wurde, sofort einen Kerl der rivalisierenden von Colleoni befehligten Gruppe umbringt. Das Pech dabei: Er ist auf einem Photo festgehalten, das der Kellnerin Rose gehört. Wenn das Photo auf irgendeine Weise bekannt wird, ist es um Pinkie geschehen, denn Mitte der 60er Jahre wird in England noch die Todesstrafe verhängt.

Rose ist ein verhältnismäßig naives, auf die gute Seite der Menschheit vertrauendes Mädchen, und das ist in diesem Milieu ein Fehler. Gottlob passt ihre Chefin Ida ein wenig auf die junge Frau auf.

Pinkie muss in den Besitz des Photos kommen, deshalb spielt er Rose Theater und Liebe vor. In Wirklichkeit ist er ein brutaler auch vor einem zweiten Mord nicht zurückschreckender Typ, der die nichtsahnende, vertrauensselige und nur auf ihre Liebe und Ehe bauende junge Frau sogar umbrächte bzw. zum Selbstmord überreden würde – wenn da die von Pinkie ebenfalls verfolgte Ida mit ihrem Helfer und Freund Phil Corkery nicht wäre.

Ein auf einen Roman von Graham Greene basierender, „modernisierter“, seine Epoche gut widerspiegelnder, stilistisch einwandfreier, regiemäßig korrekter englischer film noir, den man wegen seiner offensichtlichen Qualitäten mit Interesse verfolgt.

Aufhorchen lässt auch die Darstellerliste: Helen Mirren (Ida) und John Hurt (Phil Corkery) – John Hurt endlich wieder einmal zu sehen. Beide gehören zur Spitzenklasse und beweisen das auch hier. Ebenfalls gut Sam Riley als Pinkie, was schließlich auch für die junge Andrea Riseborough git, die die Rose verkörpert.

Thomas Engel