Call me Kuchu

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Hat sich die Situation für Homosexuelle in der westlichen Welt inzwischen deutlich gebessert, ist sie in zahlreichen afrikanischen Staaten eine Katastrophe. Wie die kleine schwul-lesbische Gemeinschaft in Uganda gegen die alltägliche Diskriminierung kämpft und dafür sogar mit dem Leben bezahlt, schildern die Regisseurinnen Katherine Fairfax-Wright und Malika Zouhali-Worrall in ihrer starken Dokumentation.

Webseite: www.arsenal-berlin.de

Deutschland/ USA 2012
Regie: Katherine Fairfax-Wright & Malika Zouhali-Worrall
Dokumentation
Länge: 90 Minuten
Verleih: Arsenal/ Freunde der Kinemathek
Kinostart: ab 20. September 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

"Es gibt keine Debatte mehr darüber, ob Homosexualität richtig ist oder nicht – sie ist es nicht." So ein Parlamentsmitglied aus Uganda gleich zu Beginn der erschreckenden Dokumentation „Call me Kuchu.“ Diese Haltung teilen offenbar weite Teile der Bevölkerung des ostafrikanischen Staates. Laut einer Umfrage befürworten 95% der Bevölkerung die strenge Bestrafung von Homosexualität. Trotz der ständigen Bedrohung, der alltäglichen Diskriminierung, hat sich in der Hauptstadt Kampala eine kleine Gruppe von Aktivisten gebildet, die aktiv und offen gegen die Diskriminierung kämpfen. Ursprünglich wollten die Filmemacherinnen Katherine Fairfax-Wright und Malika Zouhali-Worrall diese Gruppe und vor allem den in der Öffentlichkeit besonders präsenten David Kato porträtieren, doch die Realität hat ihren Film überholt: Im Januar 2011 wurde Kato in seinem Haus erschlagen, wodurch „Call me Kuchu“ ungewollt zu seinem Vermächtnis geworden ist.

Am Anfang der Dreharbeit, zu Beginn des Films steht ein Gesetzentwurf, der 2009 im ugandischen Parlament eingereicht wurde: Er sah vor, Homosexualität mit der Todesstrafe zu ahnden und selbst Bürger, die ihnen bekannte Homosexuelle nicht den Behörden melden, zu bestrafen. Die internationale Empörung war groß, weltweite Initiativen, das Eingreifen internationaler Organisation, der moralische Druck des Westens hat dieses skandalöse Gesetz zwar vorübergehend gestoppt, die Bedrohung hängt jedoch nach wie vor wie ein Damoklesschwert über den Homosexuellen Ugandas.

Fragen nach den Ursachen dieser extremen Homophobie stellen die Regisseurinnen nicht, versäumen dadurch auch, den fragwürdigen Einfluss westlicher, vorgeblich christlicher Missionare zu hinterfragen. Sie schildern den Status Quo und lassen einige Betroffene zu Wort kommen. Neben Kato ist das zum Beispiel die Lesbe Naome, der Transmann Stosh, der nach einer „Korrekturvergewaltigung“ jahrelang traumatisiert war, aber auch ein Bischof, der Homosexualität mit religiösen Argumenten verteidigte und dafür seines Amtes enthoben wurde. So weit es eben möglich ist zeigt „Call me Kuchu“ einen Alltag, der sich allzu oft im Verborgenen hinter Mauern abspielt. Nur hier kann zumindest manchmal ausgelassen gefeiert und getanzt, die drückenden Sorgen für kurze Zeit vergessen werden. In der Öffentlichkeit seine sexuelle Orientierung deutlich zu zeigen wäre dagegen lebensbedrohlich.

Nicht zuletzt durch die Presse, die in Gestalt des Chefredakteurs des Wochenmagazins „Rolling Stone“ zu Worte kommt. Mit abstoßender Beiläufigkeit, unterbrochen von ständigem Lachen erzählt Gilles Muhame von der Kampagne seiner Zeitschrift: 100 Fotos von Homosexuellen wurden veröffentlicht, inklusive genauer Namen und Adressen. In der Logik des Journalisten natürlich nicht, weil das Blatt selbst homophob ist, sondern ausschließlich im Namen des Volkes, dessen Interesse man im Sinn hat. Das diese Hetzkampagne fraglos zum Tod Katos beigetragen hat, kommt Muhame nicht in den Sinn, schließlich habe die Zeitung ja nicht zu Lynchjustiz aufgerufen…

„Call me Kuchu“ gelingt es mit einfachen Mitteln, die erschreckende Situation der Homosexuellen Ugandas zu beschreiben. Die eingefangenen Bilder und Stimmen genügen, um ein Bild der Lage zu geben, dass nicht durch Kommentare oder allzu aufdringliche Musik betont werden muss. Bleibt nur zu hoffen, dass ein Film wie dieser, der von kleinen Teilen des Auslands wahrgenommen wird, auch im Inland, bei den lebensbedrohlich Betroffenen eine Wirkung hat.

Michael Meyns