Callgirl

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Sich das Studium durch Prostitution zu finanzieren, auf diese Idee sind schon einige junge Frauen (und auch Männer) gekommen. Ihre mitunter lukrative Nebenbeschäftigung hüten sie wie ein großes Geheimnis. Jenes der mit einem entsprechenden Doppelleben auftretenden Studentin in Damjan Kozoles slowenisch-deutschem Spielfilm droht aufzufliegen, nachdem ein Freier mit einer Überdosis Viagra im Hotelzimmer starb. Dies aber will sie als manipulative Meisterin ihres Lebens lange nicht wahrhaben. In ruhigen Bildern lotet der Film aus, wie die anfängliche Kontrolle dieses Lebensentwurfs in Unsicherheit umschlägt.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

OT: Slovenian Girl
Slowenien/Deutschland 2009
Regie: Damjan Kozole
Darsteller: Nina Ivanišin, Peter Musevski, Primož Pirnat, Maruša Kink, Uroš Fürst, Andrej Murenc, Dejan Spasiæ, Aljoša Kovaèiè
90 Minuten
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 21.6.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Das Bild einer Prostituierten, die am Straßenrand auf Freier wartet, findet sich in Slowenien nicht. Käuflicher Sex wird hier zumeist über Anzeigen in Zeitungen oder in Web-Foren angeboten, der „Arbeit“ zu Hause, in Hotels oder in den Wohnungen von Zuhältern nachgekommen. Als Thema aber ist die Prostitution in Slowenien ein Tabu, auch Gespräche über Sex finden kaum statt, gelten die Slowenen doch, wie in einem vor zwei Jahren entstandenden Dokumentarfilm („Beruf: Prostituierte“) die Journalistin Ines Koèar behauptete, als ziemlich verklemmt,

Aleksandra, die Heldin von „Callgirl“, ist eine jener Frauen, die ihre Dienste in der Zeitung inserieren. Schlecht jedenfalls scheint das Geschäft bei ihr nicht zu laufen, wie der Kauf eines neuen Appartements zeigt. Zeit für ihr Englisch-Studium in der Hauptstadt Lublijana hingegen hat die Anfang 20-jährige aus der slowenischen Provinz kaum, wiederholt tischt sie ihrem Professor Lügenmärchen auf, warum sie bei dieser oder jener Prüfung fehlte – und kommt mit ihrer Mitleidstour stets auch noch durch.

Doch ganz so einfach fügen sich die Dinge für Aleksandra in Damjan Kozoles Film über die Schattenseiten einer Gesellschaft, in der alte Menschen keine Perspektive mehr haben und junge Menschen auf der Suche nach einem besser Leben drastische Wege zu gehen bereit sind, dann doch nicht zusammen. Ein Freier aus dem Umfeld ausländischer Diplomaten stirbt nach einer Überdosis Viagra. Sein Tod geht durch die Medien, und mit ihm auch die Suche nach dem „Slovenian Girl“, das telefonisch zwar noch die Hotelrezeption informierte, danach aber unauffindbar bleibt. Pech für Aleksandra, dass sie kurz darauf von zwei Zuhältern kontaktiert und unter Druck gesetzt wird, die sehr wohl über ihr Geheimnis Bescheid wissen und sie mit Sprüchen wie „ich sperr Dich in den Keller wie der Österreicher“ zu erpressen drohen. Man muss dazu vielleicht wissen, dass „Callgirl“ bereits vor einigen Jahren gedreht wurde und hier auf den damals noch durch die Medien geisternden Fall Natascha Kampusch angespielt wird.

Dank eines Ex-Freundes, den sie ebenfalls mit ihrem Bitten und Flehen nochmals um den Finger wickelt, entkommt Aleksandra den Zuhältern (verwunderlich jedoch, dass deren Bedrohlichkeit danach nur einmal noch kurz aufflammt). Bis hierhin trägt „Callgirl“ noch thrillerähnliche Züge, die der Film nun jedoch zugunsten einer mehr psychologisierenden Charakterzeichnung verlässt und mehr und mehr zum Drama wird. Zum einen wegen Aleksandras plötzlicher finanziellen Schieflage, spätestens jedoch, nachdem ein Bekannter ihres Vaters sich bei einem Hauptstadtbesuch als Freier entpuppt. Ihr Geheimnis könnte nun auch gegenüber jenem Menschen, der für sie die wichtigste Bezugsperson überhaupt noch ist, verraten sein (was natürlich nicht geschieht, denn Slowenen reden ja nicht so gerne über Sex). Nun erst beginnt das zunächst selbstbewusste und manipulative, durch die Ereignisse aber zunehmend verunsicherte Mädchen über seine Lage nach- und sein Leben zu überdenken. So überzeugend Nina Ivanišin ihre Rolle der einerseits fleißigen Studentin, andererseits pragmatischen jungen Frau auch spielt, insbesondere die Besuchsszenen daheim auf dem Land lassen die Trotzigkeit ihrer Figur und den Kampf mit ihrer doppelten Identität besonders drastisch spüren.

Im übertragenen Sinne erlebt Aleksandra – und das hat nun gar etwas Komödiantisches – zum Ende hin eine Elektroschocktherapie. Denn „Elektroschock“ nennt sich jene alte Rockband, die ihr arbeitsloser und langsam lebensmüder, aber auf sie stolzer Vater wieder aufleben lässt. Erschlagen von den Ereignissen im Laufe dieses insgesamt sehr nüchtern gehaltenen und leisen, seine Erzählstränge jedoch nicht immer bis in die letzte Konsequenz auslotenden Films, spielt die Band Frank Zappas „Bobby Brown“. Dessen Lyrics illustrieren die Zerrissenheit und Pervertiertheit von Aleksandras aktueller Gefühlslage besser als sie es selber je formulieren könnte.

Thomas Volkmann

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