Caótica Ana

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An stringenter Narration hatte der spanische Autorenfilmer Julio Medem zwar nie Interesse, doch die Volten,die die Handlung seines jüngsten Films „Caótica Ana“ schlägt, dürften selbst für Medem selbst kaum zu entwirren sein. Es geht um Feminismus, Wiedergeburt, die Rolle des Patriarchats und andere Formen der Unterdrückung, um Kunst und natürlich um die ganz große Liebe. Dass ist für sich genommen alles schön und gut, in der Masse und vor allem der von Medem gewählten Form einfach viel zu viel, so schön einzelne Szenen und Bilder auch sind.

Webseite: www.CAOTICA-ANA.de

Regie: Julio Medem
Buch: Julio Medem
Kamera: Maria Montero
Schnitt: Julio Medem
Musik: Jocelyn Pook
Darsteller: Manuela Vellés, Charlotte Rampling, Bebe Rebolledo, Asier Newman, Nicolas Cazalé, Matthias Habich
Spanien 2007, 116 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Prokino
Kinostart: 27. November 2008

PRESSESTIMMEN:

...auf film-zeit.de


FILMKRITIK:

Ganz zum Ende des Films verrät eine Einblendung ein wenig von den Umständen, die Julio Medem offenbar antrieben, ihn zu drehen: „Meiner Schwester Ana, die ging, meiner Tochter Ana, die kam“ ist der Film gewidmet, und diese zehn Worte machen den Film klarer als alle schönen Bilder, die zuvor zwei Stunden lang vorbeigerauscht sind. Dabei wird die eigentlich Geschichte sogar so stringent erzählt, wie man das gerade von Medem nicht gewohnt ist. Rückwärts von 10 bis 0 werden die einzelnen Kapitel erzählt, in denen man in jedem Bild Ana (Manuela Vellés) sieht. Zu Beginn lebt sie zusammen mit ihrem Vater (Matthias Habich) ein Hippie ähnliches Leben auf Ibiza, inklusive Wohnung in einer Felshöhle und passenden Rastalocken, die sich im Laufe des Films immer mehr „normalisieren“ werden. Ana malt naive Zeichnungen und wird von der Kunstmäzenin Justine (Charlotte Rampling) in deren Künstlerresidenz nach Madrid eingeladen. Dort lernt sie viele andere Künstler kennen, die vor allem auf der Suche nach ihrer Sexualität zu sein scheinen und dementsprechend freizügige Arbeiten herstellen. Besonders angetan ist sie von Said (Nicolas Cazalé) einem aus der von Spanien besetzten Westsahara stammenden jungen Mann. Seine abstrakten Bilder lösen in Ana merkwürdige Panikattacken aus, die, wie ein Hypnotiseur feststellt, Erinnerungen an frühere Leben sind. Kurz gesagt, Ana verkörpert eine Art ewige Frau, die seit tausenden Jahren wiedergeboren und von neuem, natürlich vom Mann, unterdrückt wird. Hätte sich Medem nun auf eine Geschichte von Leben und Tod, von Vergehen und Wiedergeburt beschränkt, darin die von ihm so geschätzten überemotionale, tragische Liebesgeschichte verwoben, aus „Caótica Ana“ wäre wohl ein Film geworden, der sich in Medems Oeuvre gefügt hätte.  
Doch seit seiner in Spanien überaus umstrittenen Dokumentation „La pelota vasca“, in der Medem die problematische, komplizierte Geschichte seiner Heimat, des Baskenlandes zu erzählen versuchte, scheint er das politische Kino für sich entdeckt zu haben. Woran ja prinzipiell nichts auszusetzen wäre, wenn die Beschäftigung mit aktuellen globalen Fragen nicht auf solch einfältigem Niveau geschieht wie hier. Schon der Prolog deutet die simplistische Dichotomie an, der Medem folgt und die in ihrer schwarz/ weiß Zeichnung ebenso schlicht ist, wie die von Medems offensichtlicher Hassfigur George Bush. Da sieht man also wie ein Falke zur Jagd auf eine Taube losgelassen wird, doch bevor der Kürschner den Vogel loslässt, scheißt ein Vogel dem Falken in die Augen. Dass ist zwar noch recht amüsant, zumal sich der Sinn dieser Szene erstmal nicht erschließt, doch wenn Medem zwei Stunden später, nachdem er immer wieder das Doppel Mann/ Frau, Falke/ Taube, Krieg/ Frieden betont hat, die inzwischen in New York lebende Ana der Karikatur eines amerikanischen Politikers (also eines Falkens) ins Gesicht scheißen lässt, ist das Maß endgültig voll. Solch dümmlicher, unreflektierter Antiamerikanismus zerstört jede Glaubwürdigkeit, die der Film vorher – mit etwas gutem Willen und einem Interesse an esoterischen Konstrukten – noch hatte.

Michael Meyns

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Leicht verständliche Filme hat Julio Medem noch nie gedreht, und auch an „Caotica Ana“ wird mancher zu beißen haben. Man hat Medem einmal den Meister des „metaphysischen Melodrams“ genannt, und zweifellos ist das eine richtige Charakterisierung. Leicht – aber nur leicht – abwertend könnte man hinzufügen, er sei auch ein Meister des metaphysischen Allerleis. Denn aus diesem Film kann jeder sich heraussuchen, was ihm interessant erscheint.

Ana ist eine schöne 19jährige junge Frau, die mit ihrem Vater abgeschieden in einer Höhle wohnt. Bis jetzt ist sie wohlbehütet. Nun aber wird sie von einer Mäzenin (Charlotte Rampling) in eine Madrider Künstlerresidenz geholt, wo sie ihr Maltalent ausleben kann. Mit dem Wohlbehütet-sein ist es jetzt allerdings vorbei.

Ana trifft auf Said, einen genialischen, von den Mädchen heiß begehrten Jüngling aus einer nordafrikanischen Flüchtlingsfamilie, der sich der Molekularbiologie widmet. Sein Traum ist die Entdeckung einer Methode, „unsere Biologie ewig dauern zu lassen“. Saids Genialität ist auch sein Fluch. Er wird von Attacken gepeinigt, die Ängste, Leere und Schwindel auslösen. Die Liebe zwischen ihm und Ana ist nicht von Dauer.

Ana ist mit Linda zusammen. Von dieser Freundin wird ihr ein realistisch-negatives Bild vor allem der Geschlechter gemalt. Eines aber schält sich für Ana aus dieser Begegnung heraus, das während des Films stark an Bedeutung gewinnt: die Rolle der Frau als Zentrum allen Lebens, die Frau als Urmutter, die Frau als Göttin, die Frau als Hure.

Ana und Linda leben eine Zeitlang mit Anglo zusammen, einem Hypnose-Experten. Während Linda alles per Video dokumentiert, erlebt Ana unter Hypnose ihre Vergangenheit, ihre zahlreichen Leben in aller Welt, ihre Visionen, ihre Träume, ihr Chaos.

Ana lebt jedoch auch in der realen Welt, in New York, wo sie beispielsweise eine ausgefallene Begegnung mit einem Politiker hat.

Wie gesagt, was hier magisch-poetisch, geheimnisvoll-elegisch, traumhaft-visionär, verwirrend-schockierend ist, kann jeder für sich heraussaugen. Ein intensives Psychologie-Experiment und Lebensgemälde ist der Film allemal.

Thomas Engel