Cat Person

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Basierend auf der vor allem in der digitalen Welt kontrovers diskutierten Kurzgeschichte „Cat Person“ aus dem US-Magazin „The New Yorker“, spürt Susanna Fogel („Bad Spies“) in ihrem gleichnamigen Film dem Verhältnis der Geschlechter nach: Wie geht Dating in Zeiten von MeToo? Welche Grenzen muss man bei der Partnerwahl ziehen? Wann ist es notwendig, sich klar zu positionieren? Und welchen Einfluss haben Vorurteile und unterschiedliche Erwartungen? Diese und ähnliche Fragen umkreist die Adaption auf betont sarkastische Weise. Stimmungswechsel kommen zuweilen arg abrupt daher, und nicht selten wird es plakativ. Gleichzeitig bietet der Mix aus Romanze und Psychothriller aber auch einige erfrischend clevere Einsichten.

Webseite: https://www.studiocanal.de/title/cat-person-2023/

Regie: Susanna Fogel
Drehbuch: Michelle Ashford
Darsteller: Emilia Jones, Nicholas Braun, Geraldine Viswanathan, Isabella Rossellini, Hope Davis, Christopher Shyer, Liza Koshy u.a.

Länge: 119 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: StudioCanal Deutschland
Kinostart: 16.11.2023

FILMKRITIK:

Mit der Liebe ist es eine komische Sache. Manchmal trifft sie einen plötzlich. Manchmal kann man sich gar nicht erklären, warum man sich mehr und mehr zu einer anderen Person hingezogen fühlt. Vor allem dann, wenn diese Person so ganz anders ist als man selbst. Genau diese Erfahrung macht die 20-jährige Studentin Margot (Emilia Jones), die nebenbei in einem kleinen Kino jobbt und dort den deutlich älteren Robert (Nicholas Braun) kennenlernt. Schnell tauschen die beiden Nummern aus, treten in einen regen Chatflirt ein, der irgendwann zu einem ersten Date führt. Auch wenn sich Robert dabei seltsam unbeholfen benimmt, bleibt Margot am Ball. Immerhin kann ein Katzenfreund kein schlechter Mensch sein, oder!?

Weitere Treffen sorgen für neue Irritationen. Margots Meinung ändert sich jedoch erst, als sie eines Abends mit ihm nach Hause geht und in seinem Bett landet. Nach dem Akt, einer der wohl kuriosesten Sexsequenzen der Kinogeschichte, ist nichts mehr wie vorher. Margot will den Kontakt abbrechen, weiß aber nicht, wie – und bekommt ungefragt Unterstützung von ihrer Mitbewohnerin Taylor (Geraldine Viswanathan), die das von Michelle Ashford verfasste Drehbuch als Stimme der weiblichen Selbstermächtigung in Stellung bringt. Roberts Reaktion auf die Abfuhr, mit der die zugrundeliegende Kurzgeschichte von Kristen Roupenian endet, bereitet Margot fortan Kopfzerbrechen.

Dass Susanna Fogel nicht mit einem nüchternen, geerdeten Ansatz an den Stoff herangeht, ist von den ersten Augenblicken an unübersehbar. „Cat Person“ atmet eine ironisch-verspielte Energie, setzt auf einen poppigen Musikeinsatz, der manchen düsteren Szenen gezielt entgegensteht, und erschafft in oft symmetrisch komponierten, von Neonlicht durchzuckten Bildern ein etwas künstlich wirkendes Ambiente.

Den in der Vorlage sehr präsenten inneren Monolog der Protagonistin übersetzt die Regisseurin im Zusammenspiel mit ihrer Skriptautorin in flashartige Kopfgeburten Margots. Auf dem Weg zu einer möglichen Beziehung imaginiert die von Roberts ungelenkem Auftreten verwirrte Studentin nicht nur Bedrohungsmomente, die direkt einem Horrorfilm entsprungen sein könnten. Regelmäßig malt sie sich in ihrer blühenden Fantasie auch andere Dinge aus: So versucht sie etwa, sich das merkwürdige Verhalten ihres Dating-Partners in fiktiven Therapiesitzungen zu erklären, in denen Robert erst allein, dann mit Margot auf der Couch beim Psychologen hockt. Den ersten Sex der beiden wiederum begleitet ein Zwiegespräch zwischen der 20-Jährigen und einer mahnenden Version ihrer selbst. Die Stimme der Vernunft plädiert entschieden dafür, sofort die Notbremse zu ziehen und aus der unangenehmen Situation auszusteigen.

Inszenierungsideen wie diese sorgen stets für Schwung. Wahr ist aber auch, was schon viele US-Kritiker monierten: Stellenweise schlägt die Stimmung viel zu unvermittelt um, weshalb das Geschehen einen zusammengeflickten Eindruck machen kann. Ebenfalls störend ist die Penetranz, mit der auf allen Ebenen MeToo-Diskussionen adressiert werden. Margot und Robert schauen sich natürlich Star-Wars-Filme an, in denen übergriffiges männliches Verhalten zu „bestaunen“ ist. Isabella Rossellini doziert in einem schrägen Gastauftritt als Professorin über Sex und Machtverhältnisse in einem Ameisenstaat. Und Margots Freundin Taylor stimmt in nahezu jedem Satz eine Kampfansage an das Patriarchat an, wird allerdings auch als etwas selbstgerecht entlarvt. Obwohl die genannten Punkte interessant sind, überfrachten sie den Film in ihrer Ballung.

Parallel arbeiten Fogel und Ashford aber auch spannende Nuancen und Ambivalenzen heraus, zeigen, wie unterschiedliche Erwartungen und falsche Interpretationen die Annäherung zwischen Frau und Mann torpedieren. Wer hier am längeren Hebel sitzt, die Zügel in der Hand hält, ist keineswegs in Stein gemeißelt, sondern ändert sich mehrfach. Dem Schlussdrittel, das für die Adaption eigens erdacht wurde, mag es im Verhalten der Figuren ein wenig an Glaubwürdigkeit mangeln. Leerlauf oder Stillstand kann man „Cat Person“ jedoch sicher nicht vorwerfen. Die Handlung schlägt ein paar überraschende Haken und rückt die Frage in den Fokus, ob mit einer offeneren, direkteren Kommunikation die Eskalation nicht hätte vermieden werden können. Was die satirische Thriller-Romanze bei allen Holprigkeiten halbwegs zusammenhält, sind die engagierten Darbietungen von Jones und Braun, die ihren Charakteren mitunter mehr Lebendigkeit verleihen, als es das Drehbuch eigentlich hergibt.

 

Christopher Diekhaus