In den 90er Jahren spielt „Caught Stealing“, der neue Film von Darren Aronofsky, in einem New York, das damals eine ganz andere Stadt war. Die Metropole ist der eigentliche Hauptdarsteller eines Films, der komischer wirkt als alles, was Aronofsky bislang gedreht hat, im Kern aber sein Lieblingsthema variiert: Die Selbstfindung eines am Boden liegenden Helden, der diesmal mit Charme und Herz von Austin Butler gespielt wird.
Über den Film
Originaltitel
Caught Stealing
Deutscher Titel
Caught Stealing
Produktionsland
USA
Filmdauer
109 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Aronofsky, Darren
Verleih
Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Starttermin
28.08.2025
Einst stand Hank (Darren Aronofsky) vor einer vielversprechenden Zukunft. Sein Talent als Baseballspieler machte eine Profikarriere wahrscheinlich, doch ein schwerer Autounfall, bei dem auch noch sein bester Freund ums Leben kam, machte die Pläne zunichte. So fristet Hank ein eher trauriges Dasein, arbeitet in einer heruntergekommenen Bar im New Yorker East Village, trinkt zu viel und will sich nicht binden.
Auch auf die Affäre zur Rettungssanitäterin Yvonne (Zoë Kravitz) mag sich Hank nur bis zu einem bestimmten Punkt einlassen, doch all das ändert sich praktisch über Nacht. Sein britischer Nachbar Russ (Matt Smith) muss für ein paar Tage nach Hause und überträgt Hank die Aufsicht über seine Wohnung und seine Katze. Dummerweise hat Russ ihn nicht über seine Nebengeschäfte aufgeklärt, die nun ein paar grimmige Russen auf den Plan rufen.
Mit einer Niere weniger und etlichen blauen Flecken wacht Hank im Krankenhaus auf, die Polizei stellt Fragen, Yvonne ist besorgt und dann sind da noch zwei chassidische Juden (Liev Schreiber und Vincent D’Onofrio), die nicht mit sich Spaßen lassen. Bald kommt es zu ersten Toten und Hank muss endlich sein Leben in den Griff bekommen.
Gleich in der ersten Einstellung von „Caught Stealing“ ist die unverkennbare Silhouette der Twin Towers zu sehen, des World Trade Centers, die bis zum 11. September 2001 die Skyline von Manhattan prägten. Ein paar Jahre zuvor, im Spätsommer 1998 spielt Darren Aronofskys Film, der selbst in New York geboren wurde und zu diesem Zeitpunkt gerade seinen ersten Film „Pi“ drehte.
Wie eine Zeitkapsel funktioniert nun sein neunter Film, der auf den ersten Blick wirkt wie eine Fingerübung, ein Wechsel zur leichteren Muße, eine Abwechslung nach der schweren Kost, für die Aronofsky bekannt ist. Zuletzt war das „The Whale“, der wie etliche seiner Filme mit einem Sprung ins Licht endete, mit dem die Hauptfigur nach langem Kampf gegen innere Dämonen den Weg zu sich selbst fand.
Und auch wenn „Caught Stealing“ allein in der ersten Hälfte komischer wirkt als sämtliche bisherigen Aronofsky-Filme zusammen: Im Kern erzählt auch diese oft überdrehte, manchmal auch zynische Gangster-Geschichte von der Selbstfindung eines verlorenen Menschen. Weniger mit religiösen Motiven überhöht wie frühere Filme von Darren Aronofsky, dafür mit viel Gespür und Gefühl für eine Stadt, die am Rande der Neuausrichtung, der Gentrifizierung stand.
Als Hommage an New York funktioniert „Caught Stealing“, als Reminiszenz an eine nur ein Vierteljahrhundert zurückliegende Zeit, die dennoch wie aus einer anderen Ära wirkt. Selbst Videoläden aus den 90er tauchen im Hintergrund auf, im Fernsehen laufen Krawalltalkshows, in den Bars darf dank eines Gesetzes des damaligen Bürgermeisters Rudy Giuliani nicht getanzt werden, doch vor allem wirkt die Stadt noch lebendig, ein bisschen dreckig und keineswegs so geleckt wie heute.
Roh und ungeschminkt wirkt auch „Caught Stealing“, manchmal so beiläufig und allzu zynisch brutal wie einer jener vielen Tarantino-Abklatsche, die die späten 90er Jahre prägten, meist aber als überdrehtes Drama mit viel Humor, das einen tragischen Helden auf dem Weg der Selbstfindung begleitet.
Michael Meyns