Cinderella

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Manche Geschichten sterben nie. So wie die vom einsamen Mädchen, der bösen Schwiegermutter und dem Traumprinzen, der sich unsterblich in das Mädchen verliebt. Das Märchen von „Aschenputtel“ oder „Cinderella“ ist nicht erst seit dem Disney-Klassiker aus den 1950er Jahren nationenübergreifendes Kulturgut. Nun wagte sich ausgerechnet Kenneth Branagh – anerkannter Shakespeare-Experte und Theater-Liebhaber – an eine ebenfalls von Disney beauftragte Realverfilmung. Das Ergebnis fällt recht klassisch aus und trägt doch erkennbar die Handschrift seines Regisseurs.

Webseite: www.disney.de/cinderella

USA 2015
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Chris Weitz
Darsteller: Lily James, Cate Blanchett, Richard Madden, Helena Bonham Carter, Stellan Skarsgård, Holliday Grainger, Sophie McShera
Laufzeit: 105 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 12.3.2015
 

FILMKRITIK:

„Es war einmal...“ Diese drei Worte haben nicht nur Jahrhunderte überdauert, sie sind zugleich der Inbegriff für unsere Liebe zum Märchen, zum Gehschichtenerzählen und zum Eintritt in eine vollkommen andere Welt. Das Märchen von der gutherzigen Tochter, die erst ihre Mutter verliert und dann den Vater und die dann der Grausamkeit ihrer neuen Stiefmutter schutzlos ausgeliefert ist, zählt dabei zu den populärsten Erzählungen. Als „Aschenputtel“ oder „Cinderella“ wurde der Stoff zum Begleiter von Generationen und spätestens als Teil der Sammlung der Brüder Grimm zum allgemeinen Kulturgut. Dabei haben diese Geschichte auch schon andere lange vor ihnen erzählt. Die Ende des 17. Jahrhunderts entstandene Version des Franzosen Charles Perrault diente unter anderem Disney als Vorlage für seinen Zeichentrick-Klassiker aus den 1950er Jahren.
 
Nun waren es ausgerechnet Disney, die rund 60 Jahre später eine überarbeitete, sparsam modernisierte Fassung der Cinderella-Story in Auftrag gaben. Nicht als Trick- sondern als Realfilm sollte das Märchen auf die Kinoleinwand zurückkehren. Die Regie bei diesem durchaus mutigen Reboot übernahm Kenneth Branagh, das Drehbuch stammte von „About a Boy“-Regisseur Chris Weitz. Für Branagh, der bislang vor allem klassische Erzählungen wie Mary Shelleys „Frankenstein“ oder Shakespeare inszenierte, lag der Gedanke an die künstlerische Leitung einer Märchen-Adaption bei näherer Betrachtung nicht allzu fern. Egal ob „Hamlet“, „Frankenstein“ oder jetzt „Cinderella“, all diese Klassiker behandeln letztlich zeitlose Themen, mit denen sich die Menschen bis heute identifizieren können.
 
Die Suche nach dem Glück ist darunter die vielleicht Fundamentalste, auf die sich auch die junge Ella (Lily James) begibt. Wohlbehütet aufgewachsen muss sie erleben, wie ihre Mutter in jungen Jahren stirbt und der Vater eine neue Frau kennenlernt, die er wenig später heiratet. Nach dem Tod des geliebten Vaters wird Ellas Stiefmutter Lady Tremaine (Cate Blanchett) endgültig zur Herrscherin im einst fremden Haus. Allein aus der Erinnerung an ihre Mutter schöpft die gedemütigte, vernachlässigte Ella lange Zeit Hoffnung und Kraft. Erst als sie eines Tages in den Wäldern einem charmanten Fremden (Richard Madden) begegnet, scheint das Glück zu ihr zurückzukehren.
 
Auch wenn die Verortung dieser Neuverfilmung nie ganz geklärt wird – die Rede ist lediglich von einem „kleinen Königreich“ –, so erinnert zunächst doch vieles an einen Jane Austen-Roman. Verstärkt wird dieses Gefühl zumindest in der Originalfassung von der fast durchweg britischen Besetzung. Branaghs Handschrift ist hierbei kaum zu übersehen. Er liebt das ruhige Erzählkino in eleganten Bildern, von denen „Cinderella“ in nahezu jeder Einstellung lebt. Gleichzeitig ist er immer ganz nah bei seinen Figuren. Ihn interessiert der menschliche Kern erkennbar mehr als jeder märchenhafte Überbau, der hier ohnehin recht dosiert eingesetzt wird. Erst mit Ellas Verwandlung und ihrer Begegnung mit der guten Fee (Helena Bonham Carter) – einer Figur wie sie nur bei Perrault vorkommt – rücken die fantastischen Elemente ebenso wie der opulent bebilderte Kitsch dieser mit reichlich Zuckerguss verzierten Lovestory in den Mittelpunkt.
 
In „Cinderella“ ist die Formel vom Traumprinzen, der seiner Traumprinzessin begegnet, ausnahmsweise einmal wörtlich zu verstehen. Dazu gehören die rosaroten Fantasien jeder „Boy meets Girl“-Romanze, die eigentlich nur im Märchen mit den bekannten Worten „Und so lebten sie glücklich...“ ihren Abschluss finden darf. Mit der aus der britischen Erfolgsserie „Downton Abbey“ bekannten Lily James und ihrem männlichen „Prince Charming“ Richard Madden („Game of Thrones“) besitzt Branaghs jederzeit stilsichere Neuinterpretation zudem ein hinreißendes, unverbrauchtes Filmpaar, mit dem das Mitschmachten und Mitfühlen überaus leicht fällt. Angesichts dieses jungen Glücks scheint selbst eine zweifache Oscar-Preisträgerin wie Cate Blanchett gelegentlich vor Neid zu erblassen.
 
Marcus Wessel