Conny Plank – The Potential of Noise

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Konrad „Conny“ Plank gilt als einer der einflussreichsten Toningenieure und Produzenten der (deutschen) Musikgeschichte. In den 1970er- und 80er-Jahren prägte er den progressiven Sound von NEU!, Kraftwerk, Ultravox, den Scorpions oder Gianna Nannini. Als Plank 1987 im Alter von nur 47 Jahren an Lungenkrebs starb, hatte sein Sound längst Kultstatus erreicht. Gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Reto Caduff porträtiert Planks Sohn Stephan nun Leben und Werk des Vaters. Das Mitwirken des Sohns, der beim Tod des Vaters erst 13 Jahre alt war, verleiht „The Potential of Noise“ zwar eine persönliche Komponente, doch in erster Linie erörtert die Doku Planks musikalisches Schaffen im zeitgeschichtlichen Kontext.

Webseite: www.conny-plank.de

Deutschland 2017
Regie: Reto Caduff, Stephan Plank
Drehbuch: Reto Caduff, Stephan Plank, Ziska Riemann
Mitwirkende: Michael Rother, Daniel Miller, David A. Stewart, Annette Humpe, Robert Görl, Gianna Nannini
Laufzeit: 92 Min.
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 28. September 2017

FILMKRITIK:

Im einleitenden Off-Kommentar bezeichnet Stephan Plank seinen Vater Conny als „Phantom“, über das er mehr erfahren will. Zu diesem Zweck befragt er Freunde und Weggefährten zu ihren Erinnerungen an die musikalische Zusammenarbeit mit Conny Plank. Die Prämisse verleiht „The Potential of Noise“ eine persönliche Farbe, die jedoch nie überhand gewinnt. Zwar taucht Stephan Plank als Knirps auf Fotografien und in den Anekdoten der Musikerinnen und Musiker auf, doch insgesamt bereitet das materialreiche Porträt die Stationen der Künstlerkarriere schlicht in chronologischer Folge auf. Dass Planks Sohn die Interviews führt, macht im Ergebnis keinen allzu großen Unterschied.
 
Der 1940 geborene Conny Plank begann seine Laufbahn 1963 als Toningenieur beim WDR, worauf ab 1966 eine Karriere als freier Tontechniker folgte. Legendär wurde sein 1974 eröffnetes Tonstudio Conny's Studio, das Plank in einem umgebauten Bauernhof in Wolperath bei Köln einrichtete. Hier lebte und arbeitete er mit seiner Frau Christa und dem kleinen Sohn Stephan. Musiker aus aller Welt kehrten teils wochenlang auf dem entlegenen Grundstück ein, um mit Plank an ihren Alben zu tüfteln.
 
Alle Weggefährten loben die familiäre Atmosphäre auf dem Bauernhof und betonen den prägenden Einfluss, den Plank auf ihre Musik nahm. Ob der Kraftwerk-Gitarrist Michael Rother, Robert Görl von DAF oder Gianna Nannini – alle der Befragten überschütten Plank mit Lob. Die Hip-Hopper von Whodini vergießen dabei sogar eine Träne. Das grenzt mitunter an Heldenverehrung, bleibt aber immer glaubhaft, zumal die Tonspur reichlich Belege für Planks innovatives Sounddesign beisteuert. Nur einmal kommen kritische Töne auf, als es um Planks Rolle als Vater geht. Ein Traumvater sei er nicht gewesen, erzählt eine Familienfreundin. Als Stephan die Arbeit im Tonstudio störte, reagierte der Vater hart: „Junge, du nervst! Geh spielen – auf der Autobahn.“
 
„The Potential of Noise“ vermittelt Conny Planks Musikverständnis, das immer wieder in progressiven Experimenten kulminierte. Den Ursprung aller Musik sah Plank in den Geräuschen der Natur und empfand selbst Störgeräusche als musikalisch. Für ein Stück der Post-Punk-Band Killing Joke mischte er Reichsparteitagsreden aus dem Dritten Reich in den Refrain und den Scorpions schlug er den provokanten Bandnamen Stalingrad vor. Conny Plank ging es wohl tatsächlich vorrangig um das Schaffen „relevanter“ Musik. Geld war für ihn ein „durchlaufender Posten“ – den Kapitalbegriff der großen Industrie lehnte Plank ab. Seine Goldenen Schallplatten arrangierte er ironisch auf der Toilette des Tonstudios.
 
Mit reichlich Musik, die auch als Klangteppich unter den Interviews liegt, und viel erstmals veröffentlichtem Bildmaterial liefert „The Potential of Noise“ einen stimmigen Einblick in den Werdegang des stilprägenden Tondesigners Conny Plank und den musikhistorischen Stellenwert seines Werks. In zweiter Linie beschreibt der Film den Wunsch eines Sohns, den früh verstorbenen Vater ein Stück besser zu verstehen.
 
Christian Horn