Copacabana

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Einmal mehr eine Paraderolle für Isabelle Huppert, die in Marc Fitoussi nachdenklicher Komödie „Copacabana“ eine Frau, spielt, die ihr Leben gegen alle von der Gesellschaft vorgegebenen Regeln lebt. Das sorgt für immer neue Probleme, doch um seine Heldin wirklich scheitern zu lassen, ist der Film zu angetan vom zwar bisweilen anstrengenden, aber stets gutherzigen Charme seiner Heldin.

Webseite: www.kairosfilm.de

Frankreich 2010
Regie, Buch: Marc Fitoussi
Darsteller: Isabelle Huppert, Lolita Chammah, Aure Attika, Jurgen Delnaet, Chantal Banlier, Magali Woch
Länge: 107 Minuten
Verleih: Kairos Filmverleih
Kinostart: 28. Juni 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Babou (Isabelle Huppert) ist eigentlich schon ein paar Jahre zu alt, um noch in den Tag hinein zu leben. Doch um gesellschaftliche Konventionen hat sich Babou noch nie Gedanken gemacht, sehr zum Leidwesen ihrer Tochter Esméralda (Lolita Chammah, auch im echten Leben Tochter von Isabelle Huppert). Die ist deutlich konservativer als ihre Mutter, steht vor der Hochzeit mit ihrem Freund, Feierlichkeiten, zu denen sie ihre Mutter dezidiert nicht einlädt. Das Band zwischen Mutter und Tochter scheint zerschnitten, und so nimmt Babou eine Stelle im belgischen Ostende an. Time-Share Appartments soll sie verkaufen, vor allem aber versuchen, endlich einmal einen Job länger als ein paar Tage zu behalten.

Wie ein Orkan fällt Babou in Ostende ein, verbringt gleich ihre erste Nacht mit einem Hafenarbeiter, stößt ihre Kolleginnen zunächst mit ihrer Art vor den Kopf, dann mit ihren Verkaufserfolgen. Doch bei aller rauen Schale, aller unbeherrschten Energie, die ihre Handlungen prägt, ist sie doch ein herzensgutes Wesen. Zwei jugendlichen Obdachlosen erlaubt sie das Übernachten in einem unbenutzten Appartement, doch nicht nur hier bringt ihre spontane Handlung Babou letztlich in Konflikt mit den allzu festgeschriebenen Normen der Gesellschaft.

Lange hält Autor und Regisseur Marc Fitoussi seinen Film offen, ohne die Handlungsweise Babous zu bewerten. Nicht zuletzt dank der einmal mehr herausragenden, subtilen Darstellung Isabelle Hupperts ist die zentrale, in praktisch jeder Szene des Films auftauchende Figur gleichermaßen sympathisch wie nervtötend, faszinierend antiautoritär und befremdlich ignorant. Weder stimmt „Copacabana“ ein Hohelied auf das Regeln und Normen verletzende Leben Babous an, noch verdammt er sie für ihren Versuch, ein Leben zu führen, das ihren eigenen Werten entspricht. Doch so zufrieden sie auch oft gezeigt wird, versäumt es der Film dennoch nicht, auch die weniger glücklichen Aspekte ihrer ganz speziellen Art zu zeigen. Besonders die oft ungewollten Folgen von Babous Verhalten auf ihre Umwelt, insbesondere auf ihre Tochter, sorgen immer wieder für Momente, in denen Babou schmerzlich bewusst wird, welche Folgen ihr Anderssein oft hat.

Dass der Film sich dafür entscheidet, seiner Heldin ein fast schon märchenhaft versöhnliches Ende zu spendieren, müsste man bedauern, wenn man Babou bis zu diesem Zeitpunkt nicht längst ins Herz geschlossen hätte. So wird „Copacabana“ – ein Titel, der an den berühmten Strand von Rio de Janeiro anspielt, von dem Babou träumt – am Ende nicht zu einem melancholischen Abgesang an gescheiterten Individualismus, sondern zu einer zwar nachdenklichen, aber doch lebensbejahenden Komödie, die einmal mehr Isabelle Huppert die Gelegenheit gibt, eine weitere Facette ihres Könnens zu präsentieren.

Michael Meyns

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