Crescendo – #makemusicnotwar

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Regisseur DrorZahavi gelingt ein engagierter Musikfilm mit einer wahrhaft starken Botschaft. Sein berührendes Drama zeigt: Musik als Friedensstifter löst Vorurteile und überwindet Grenzen. Wie Eran Riklis Filme macht er dabei die persönliche Dimension des langjährigen Nahostkonflikts spürbar. Gleichzeitig scheinen Parallelen zu dem West-Eastern Divan Orchestra von Stardirigent Daniel Barenboim auf. Denn in den Hauptrollen brillieren Peter Simonischek als einflussreicher Dirigent und Bibana Beglau. Die facettenreiche Schauspielerin mimt eine ambitionierte und zielstrebige Konzertmanagerin. Zwei charakterstarke Figuren, die für das Unmögliche kämpfen und fast gewinnen. Das sehenswerte Filmprojekt über Versöhnung ist auch mit israelischen und palästinensischen Laienschauspielern besetzt.

Webseite: www.camino-film.com

Deutschland 2018
Regie: Dror Zahavi
Drehbuch: Johannes Rotter, Dror Zahavi
Darsteller: Peter Simonischek, Daniel Donskoy, Mehdi Meskar, Sabrina Amali, Bibiana Beglau, Götz Otto .
Länge: 102 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: 16.1.2020

FILMKRITIK:

Eisern übt die 24-jährige Palästinenserin Layla (Sabrina Amali) im Wohnzimmer Geige. Mit Bachs Solopartita in E-Dur kämpft sie gegen den Tumult draußen vor dem Fenster. Ihre Heimatstadt Qualqiliya liegt im Westjordanland, direkt an der Grenze zu Israel. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen. Auch Ron (Daniel Donsky) übt Bach. Der junge Israeli lebt in Tel Aviv, nahe der Kulturhalle. Dort wird in wenigen Tagen Maestro Eduard Sporck (Peter Simonischeck) erwartet. Ein deutscher Dirigent, der ein ehrgeiziges Ziel verfolgt.
 
Als Sohn deutscher Nazi-Verbrecher  wird ausgerechnet er mit der Nahost-Problematik konfrontiert. Trotzdem will er mit jungen Palästinensern und Israelis ein klassisches Musikprogramm einstudieren, das bei den Friedenverhandlungen zwischen Diplomaten aus Israel und Palästina aufgeführt werden soll. Initiatorin des ambitioniertem Orchesterprojekts ist die zielstrebige Managerin Karla de Fries (Bibiana Beglau). Die ungleichen Bedingungen zwischen den Israelis und den Palästinensern beginnen schon beim Vorspielen.
 
Während Ron unkompliziert mit dem Bus anreisen kann, stecken Layla und ihr schüchterner Nachbar, der junge Klarinettist Omar (Mehdi Meskar), erst einmal am Checkpoint fest. Nach dem Blindvorspiel hinter weißer Leinwand folgt das nächste Problem: Eduard Sporck hat die Musiker ausschließlich nach ihrem künstlerischen Niveau ausgewählt. Nur eine Handvoll Palästinenser sind übrig geblieben, Dabei sollte das Orchester paritätisch besetzt werden. Und als Sporck aus strategischen Gründen Layla zur Konzertmeisterin ernennt, artet die erste Probe in Handgreiflichkeiten aus.
 
Einfühlsam schildert das engagierte Musikdrama die Schwierigkeiten der jungen Musiker, friedlich miteinander umzugehen. Denn Vorurteile und gegenseitiger Hass sitzen tief. Kurzerhand verlegt Maestro Sporck die Probenarbeit - aus Sicherheitsgründen in sein idyllisches Heimatdorf  in den Bergen Südtirols. Dort erinnert sein Vorgehen mit Stuhlkreis und Begrüßungsspiel an Therapiestunden. „Wenn man sich nicht gegenseitig als Person wahrnimmt, kann man auch nicht zusammen Musik machen“, so sein Credo.
 
Neben den brillanten Hauptdarstellern überzeugt vor allem Sabrina Amali als Palästinenserin Layla, die gegen die Widerstände in der eigenen Familie kämpft. Ihr beharrlich intensives Spiel erinnert an die israelisch-arabische Schauspielerin und Filmregisseurin Hiam Abbas, die starken arabischen Frauen im internationalen Kino Gesicht verleiht. Selbst wenn das Happy End scheinbar fehlt, lässt das absolut sehenswerte Drama, das Produzentin Alice Brauner couragiert realisierte, hoffen.
 
Luitgard Koch