Zwei Menschen auf engem Raum. Ein Schmelztiegel. Ein Kammerspiel. Perfekt für großes Schauspielkino, wenn das Skript mitreißend genug und die Mimen gut aufgelegt sind. Bei „Daddio“ ist das der Fall. Eine von Dakota Johnson gespielte Frau fährt mit einem Taxi nach Hause. Es entwickelt sich ein langes und tiefgründiges Gespräch mit dem von Sean Penn gespielten Fahrer.
USA 2023
Regie: Christy Hall
Buch: Christy Hall
Darsteller: Dakota Johnson, Sean Penn
Länge: 98 Minuten
Verleih: Leonine
Kinostart: 27. Juni 2024
FILMKRITIK:
Eine Frau kommt aus Oklahoma zurück nach New York. Am Flughafen steigt sie ins Taxi von Clark, der ein Gespräch mit ihr beginnt, während immer wieder Nachrichten auf ihrem Handy auftauchen. Als sie im Stau stehen, intensiviert sich das Gespräch – über das Leben, die Liebe, und Beziehungen, die nicht gut gehen können, weil es keine sind. Die Frau hat einen älteren Liebhaber, der jedoch verheiratet ist. Sie hat ihm gesagt, dass sie ihn liebt. Ein großer Fehler, wie Clark meint, wie er überhaupt einiges zu der Situation zu sagen hat.
Das Skript fand sich 2017 auf der Blacklist der besten unproduzierten Drehbücher. Wenig später sollte Daisy Ridley die Hauptrolle spielen. Sie stieg aus und das Projekt geriet ins Stocken, bis 2021 Dakota Johnson auf das Skript stieß und interessiert war. Die Figur des Taxifahrers wird als Typ wie Sean Penn beschrieben, weswegen Johnson ihm das Skript gab – da erwies es sich als praktisch, dass sie im Grunde Nachbarn sind.
Christy Hall hat nicht nur ein über knapp 100 Minuten intensiver werdendes Skript geschrieben, sondern auch inszeniert. Die Möglichkeiten in einem Taxi sind begrenzt, sie nutzt aber alles vorhandene Potenzial. Mal nimmt die Kamera den Blickwinkel der einen, dann der anderen Figur ein, und dann ist sie praktisch wie ein weiterer Beifahrer. Der Look des Films ist aber weniger wichtig, als sein Inhalt. Eine Fahrt durch die Nacht, das hat schon Jim Jarmusch im Jahr 1991 mit „Night on Earth“ zum Thema eines Films gemacht. An dessen Brillanz reicht „Daddio“ nicht heran, ein sehr guter Film ist dies aber trotzdem.
Die Gesprächsdynamik ist interessant. Erst liefert Clark einen Monolog darüber ab, wie immer mehr Leute mit Karte bezahlen, dann fragt sie ihn, wie er heißt. Sich selbst stellt die Frau aber nie vor. Sie bleibt in gewisser Weise geheimnisvoll, während man als Zuschauer die Textnachrichten zu sehen bekommt, die sie erhält. Sie sind schlüpfrig, sie zeugen von einer unguten Beziehung, bei der einer mehr investiert, als der andere. Wie Clark erkennt, ist die Frau für ihren älteren, verheirateten Liebhaber ein Spielzeug, aber das will sich seine Passagierin nicht eingestehen, selbst wenn sie es wissen sollte.
Im weiteren Verlauf geht es um Männer. Darum, was sie wollen und wie sie sich darstellen. Aber es geht auch um Frauen. Und um die Beziehung beider Geschlechter zueinander. Der Film hat seine tiefsinnigen Momente, er erlaubt den Figuren auch, viel von sich preiszugeben. So sehr, wie das nur einem Fremden gegenüber möglich ist. Es ist eine Zufallsbegegnung, eine anderthalbstündige Fahrt, die alles ist, was es zwischen diesen beiden Menschen geben wird. Flüchtig, intensiv, auch profund – ein Gespräch, das man nicht vergisst.
Peter Osteried