Dalia und das rote Buch

Am Anfang war Michael Ende, der mit der „Unendlichen Geschichte“ ein Buch mit einer echten Sogwirkung schrieb: Die Lesenden wurden förmlich in die Geschichte hineingezogen – ein immersives Erlebnis. Der Traum aller Leseratten wurde wahr. Das galt dann weniger für die Verfilmung, die für Michael Ende eine so große Enttäuschung war, dass er seinen Namen aus dem Film zurückzog. Tatsächlich traf der aufwendig produzierte und erfolgreiche Kinofilm nicht unbedingt das Herz des lesenden Publikums. Doch nun kommt David Bisbano und sein fantasievoller, bildgewaltiger Animationsfilm „Dalia und das rote Buch“. Und endlich haben kleine und große Leseratten „ihren“ Kultfilm.

 

Über den Film

Originaltitel

Dalia y el Libro Rojo

Deutscher Titel

Dalia und das rote Buch

Produktionsland

ARG, SPA, BRA, PER, KOL, ECU

Filmdauer

107 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Bisbano, David

Verleih

Der filmverleih GmbH

Starttermin

30.10.2025

 

Dalia möchte Schriftstellerin werden, ist aber noch nicht über den Tod ihres Vaters, eines Kurzgeschichten-Autors, hinweggekommen. Er starb während der Arbeit an seinem ersten Roman. An ihrem 12. Geburtstag entdeckt Dalia das unvollendete Manuskript Ihres Vaters und wird von den handelnden Figuren in die Geschichte hineingezogen, wo sie plötzlich vor einer großen Aufgabe steht. Sie hat nur zwölf Stunden Zeit, um die Geschichte fertigzuschreiben, sonst wird sie für immer in dem Buch gefangen sein. Und sie bekommt es mit einer mächtigen Gegnerin zu tun, mit der Füchsin Loba, die alles daran setzt, selbst Heldin des Buchs zu werden. Loba kann sich auf ein paar echt fiese Harpyien und einen zwielichtigen Bibliotheks-Uhu als Verbündete verlassen, während Dalia lediglich von Ziegi, einem cleveren, sturen und sprunggewaltigen Ziegenbock, unterstützt wird. Gemeinsam mit Ziegi findet Dalia den Weg durch die verwinkelte, sich ständig verändernde Stadt, in der die Geschichte ihres Vaters spielt. Und schließlich gelangt sie an den Ort, wo der Showdown stattfinden wird, den sie schreiben soll…

Wie viele andere Geschichten für ein junges Publikum ist auch „Dalia und das rote Buch“ ein Mix aus Coming-of-Age und Abenteuer. Der Heldin Dalia fehlt etwas – erprobt und immer wieder gern genommen: das nötige Selbstvertrauen –, das sie sich dann, nach dem Bestehen zahlreicher Abenteuer am Ende holt: mission accomplished. Das Sympathische an David Bisbanos Film ist dabei, dass er sich nicht krampfhaft um Originalität bemüht, sondern sehr souverän mit den bekannten Versatzstücken der Genres jongliert. Die Regeln der klassischen „Abenteuerreise“ werden konsequent eingehalten, und der Film konzentriert sich sich auf das, was nicht nur Kinder mögen: Spannung, Action und eine Prise Humor. So ist ein Kinoerlebnis entstanden, das praktisch jede Altersgruppe anspricht und das ziemlich clever deftige Action mit zarten Momenten der Innerlichkeit verbindet.

Einen gewichtigen Anteil an der Faszination von „Dalia und das rote Buch“ hat die Animation. Technisch und vom Budget her kann sich „Dalia“ natürlich nicht mit Giganten wie Pixar messen, aber dafür gibt es jede Menge gute Ideen, die dem Film einen einzigartigen Look verleihen. Die Animations-Crew kombiniert handgefertigte Kulissen, wie man sie aus klassischen Stop-Motion-Filmen kennt, mit CGI-Figuren und hat ihnen mit 2D- und 3D-Techniken ein einheitliches Erscheinungsbild verpasst. Was aber noch viel wichtiger ist als die technischen Finessen: Hier stimmt die Atmosphäre. Der Unterschied zwischen Dalias wirklicher Welt, die nach dem Tod des Vaters nur noch Trostlosigkeit auszustrahlen scheint, und der sich stets wandelnden Fantasiewelt, wo an jeder Ecke Gefahren lauern, ist eklatant. Doch die Figuren haben trotz ihrer Fremdartigkeit etwas Vertrautes: Gemeinsam mit Dalia betritt das Publikum eine Traumwelt, in der man sich wohlfühlt.

Was die interne Logik der Geschichte betrifft, so ist hier Großzügigkeit angesagt: Nicht alles ist schlüssig, nicht immer wurde alles hundertprozentig zu Ende gedacht. Für einige logische Löcher wurde Ziegis Sprunggewalt bemüht, und hier und da wurden ein paar dramaturgische Schnitzer offenbar mit dem Motto „Die Action und die Atmosphäre werden’s rausreißen“ nonchalant durchgewunken. Und tatsächlich: Es funktioniert!

„Dalia und das rote Buch“ ist ein runder, kurzweiliger Abenteuerspaß, eine immersive Erfahrung voller starker Momente, mit Humor, Spannung und Gefühl – und mit einem klitzekleinen Hauch von Kritik am modernen Medienzeitalter. Doch nicht nur kleine und große Leseratten werden ihren Spaß an der süffigen Geschichte haben, wenn auch die Fans des geschriebenen Wortes hier klar im Vorteil sind: Sie wissen um die Magie, die dem Erfinden einer Geschichte innewohnt, und sie kennen das Gefühl, in ein Buch einzutauchen und dabei die reale Welt zu vergessen. Für ein paar Stunden wird das wahre Leben unwichtig, aber es verschwindet niemals ganz vollständig. Das gilt auch für Dalia und ihr Abenteuer, das aus ihr ein starkes, mutiges Mädchen macht.

 

Gaby Sikorski

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