Danke Anke! Die Engelke macht traditionell jeden Film lohnend, selbst bei schwächeren Stoffen begeistert die leinwandpräsente Synchronstimme von Marge Simpson. Diesmal ist die Story stark! Die Szenen einer Ehe sind im Laufe der Jahre in Routine erstickt, Liebe und Leidenschaft haben sich stillschweigend verabschiedet. Ein dramatischer Unfall sorgt dafür, dass die Karten radikal neu gemischt werden. In diesem Drama geht’s gehörig ans Eingemachte der existenziellen Art. Zum notwendigen Ausgleich gibt es feinsinnige Komik, die bisweilen an Loriot erinnert. Das beherrscht die Engelke allemal in souveräner Perfektion. Emotionen wie raschelndes, buntes Laub: Ein ziemlich bester Herbst-Film!
Über den Film
Originaltitel
Dann Passiert Das Leben
Deutscher Titel
Dann Passiert Das Leben
Produktionsland
DEU
Filmdauer
90 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Vollmar, Neele Leana
Verleih
Majestic Filmverleih GmbH
Starttermin
06.11.2025
„Er ist dick geworden!“ kommentiert Rita (Anke Engelke) lapidar, als der erwachsene Sohn nach einem kurzen Besuch wieder abreist. Zum 62. Geburtstag überreichte er der Mama einen kümmerlichen Blumenstrauß. Papa Hans (Ulrich Tukur) hat das Jubiläum ganz vergessen, in letzter Minute kauft er noch schnell eine lila Badekappe als Präsent. Als Schuldirektor steht er kurz vor der Pensionierung. In seiner Beziehung hat Hans sich längst in die innere Emigration zurückgezogen. Routine bestimmt die Szenen dieser Ehe. Der Kauf neuer Fliesen für das Bad sorgt da schnell für gereizte Stimmung. Wie bei Loriot wird im Laden über Kekse und Kaffee gestritten. Und darüber gezankt, wer den Einkaufszettel vergessen hat. Zum komischen Schluss lässt Rita ihre Wut am hilflosen Verkäufer aus: „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass der Anzug nicht passt? Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten. Ich kann Ihnen das sagen. Mich sehen Sie ohnehin nicht wieder!“.
Doch schnell ist Schluss mit lustig. Die Sprachlosigkeit der Familie wird immer unüberhörbarer. „Ich glaube nicht, dass es euch wirklich interessiert, was ich mache!“, sagt der Sohn beim Abendessen, „Es ist nicht meine Schuld, dass du nicht glücklich bist“, heißt es an einer anderen Stelle. Gegenseitige Vorwürfe eskalieren immer mehr. Auch jener Seitensprung von einst wird jetzt wieder hervorgekramt.
Doch dann ist Schluss mit allem Gezänk. Ein tödlicher Unfall sorgt für dramatische Veränderungen. Im Zeichen von Schuld und Sühne bekommen alle bisherigen Probleme eine ganz neue Perspektive. Lässt der Schicksalsschlag die Familie wieder zusammenkommen? Bevor die Eltern dem Sohn am Telefon von dem Unfall erzählen können, hat der ganz andere Neuigkeiten der überraschenden Art.
Wie schon beim bewegenden Teenager-Drama „Auerbach“, inszeniert Regisseurin und Autorin Neele Leana Vollmar ihr schweres Thema mit erstaunlich leichter Hand. Es geht um Verdrängen, Verzeihen und das Verblassen einer großen Liebe. Es geht um Schuld und Tod und Sühne. Was wie ein schwermütiges Melodram klingen mag, kommt mit poetischem Charme, viel Gefühl und reichlich Humor daher. Mit Anke Engelke und Ulrich Tukur ist das Paar am Rande des Nervenzusammenbruchs perfekt besetzt und bringt ein enormes Empathie-Potenzial ins Spiel. Zwischen den beiden stimmt die Chemie spürbar, da reichen ganz kleine Gesten für eine sehr große Wirkung. Die gut geschliffenen Dialoge tun ihr Übriges, um dem Drama die notwendige Lässigkeit zu verleihen. Selbst für praktische Lebenshilfe ist bei dieser Mischung aus Ingmar Bergman und Vicco von Bülow gesorgt: Probleme mit dem neuen TV-Gerät? „Vielleicht ist das ja wie beim Internet. Man muss ausschalten, kurz warten. Und wieder einschalten!“
Dieter Oßwald