Das Arvo Pärt Gefühl

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Kaum ein zeitgenössischer Komponist wird so häufig gespielt wie Arvo Pärt. Was macht nun die Faszination für die Werke des estnischen Komponisten aus? Diese Frage versucht Paul Hegeman in seiner Dokumentation „Das Arvo Pärt Gefühl“ zu beantworten, die dezidiert keine klassische Biographie ist, sondern sein Subjekt umkreist und sich ihm vorsichtig annähert.

Website: www.filmkinotext.de/das-arvo-paert-gefuehl.html

That Pärt Feeling – The Universe of Arvo Pärt
Dokumentation
Niederlande 2019
Regie & Buch: Paul Hegeman
Länge: 75 Minuten
Verleih: Film Kino Text, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 10. September

FILMKRITIK:

Arvo Pärt wurde 1935 in der estnischen Kleinstadt Peide geboren. Früh begann er, sich für Musik zu interessieren, studierte, arbeitete als Tontechniker, begann zu komponieren, beeinflusst von Schostakovich, Bartók, später auch Schönberg. In der Sowjetunion, zu der Estland damals gehörte, stieß seine Musik auf wenig Gegenliebe, erst recht nicht, nachdem Pärt der russisch-orthodoxen Kirche beigetreten war.

Nach einer längeren Schaffenspause veröffentlichte er 1976 das Klavierstück „Für Alina“, das erste der bald typischen Pärt-Stücke. Anfang der 80er Jahre wurde Pärt zur Emigration gezwungen, ließ sich in Wien nieder (inzwischen besitzt er die österreichische Staatsbürgerschaft), lebte lange Jahre in Berlin und hat sich inzwischen zu einem der bedeutendsten, einflussreichsten Komponisten neuer Musik entwickelt.

All diese Informationen erfährt man nicht aus Paul Hegmans Dokumentation „Das Arvo Pärt Gefühl“, warum auch, ein kurzes googeln genügt, um diese biographischen Fakten zu finden. Was der niederländische Regisseur mit seinem Film statt dessen versucht, ist anspruchsvoller: Wie der Titel schon andeutet geht es um das Gefühl, dass die Musik von Arvo Pärt auszulösen imstande ist, das Besondere, das gewisse Etwas.

Um dieses Gefühl zu fassen lässt Hegman zahlreiche Musiker, Kuratoren und Dirigenten zu Wort kommen, die mal mehr mal weniger eloquent beschreiben, was an Pärts Kompositionen so besonders ist. Für musikalische Laien ist es bisweilen nicht einfach hier mitzuhalten, gerade wenn auf die Feinheiten der Pärtschen Musik eingegangen wird, wenn abstrakte Töne mit Architektur verglichen werden, aber allein die Begeisterung für das Thema, das auf den Gesichtern der Interviewten zu erkennen ist, spricht Bände.

Wie schwer es ist, zu beschreiben, wie ein abstrakter Gegenstand wie Musik funktioniert, welche Emotionen sie auslöst, mag auch erklären warum Pärt selbst kaum zu Wort kommt. Statt das kaum mögliche zu versuchen und in Worte zu fassen, was er durch seine Musik sagt, beobachtet Hegeman den Komponisten mal bei der Arbeit mit einem Cello-Oktett aus Amsterdam, mal mit jungen Gesangsstudenten. Als unprätentiöser Mann erweist sich Pärt hier, der sich augenscheinlich wenig aus Ruhm und Wohlstand macht, sondern ganz in seiner Arbeit aufgeht.

Und so sollte man wohl auch die Dokumentation „Das Arvo Pärt Gefühl“ verstehen: Als Versuch einer Annäherung an ein einzigartiges Werk, dessen besondere Qualität kaum zu beschreiben ist, sondern von jedem einzelnen Hörer erfahren werden muss. Paul Hegemans Film kann und will nicht mehr sein, als Anstoß zu sein, Pärt zu hören.

Michael Meyns