Nach einem Ausflug ins afrikanische Mali kehrt der französische Regisseur Robert Guédiguian für „Das Fest geht weiter“ in seine Heimat Marseille zurück, der Stadt in der er einen Großteil seiner Filme inszeniert hat, deren Menschen und Macken er kennt und porträtiert wie kein Zweiter. Fast dokumentarisch mutet sein Blick daher an, sozialistisch und humanistisch, wenngleich auch zunehmend skeptisch.
Über den Film
Originaltitel
Et la fête continue!
Deutscher Titel
Das Fest geht weiter!
Produktionsland
FRA,ITA
Filmdauer
106 min
Produktionsjahr
2023
Produzent
Bordure, Marc / Guédiguian, Robert
Regisseur
Guédiguian, Robert
Verleih
Film Kino Text – Jürgen Lütz
Starttermin
12.06.2025
Am 5. November 2018 stürzten in Marseille zwei Gebäude ein, acht Menschen kamen unter den Trümmern ums Leben. Schauplatz war das Viertel Noailles, unweit des Hafens gelegen, dort wo das traditionelle Marseille noch deutlicher zu spüren ist, als in den schickeren, moderneren Vierteln. Dort aber auch, wo der Verfall, das Alter der Stadt besonders deutlich zu spüren und zu sehen ist, wo die Vernachlässigung zu Katastrophen führen kann.
Mit Bildern der eingestürzten Häuser beginnt Robert Guédiguians „Das Fest geht weiter“ verortet sich dadurch konkret in Raum und Zeit, auch wenn sich im Folgenden die Geschichte um fiktive Figuren entwickelt. Die allerdings von Schauspielern verkörpert sind, die schon oft in den Filmen von Robert Guédiguian zu sehen waren, die dadurch fast ebenso wie Einwohner von Marseille wirken, wie der Autor und Regisseur selbst zu einer Art Chronist seiner Heimatstadt geworden ist.
Hauptfigur ist Rosa (Ariane Ascaride), Witwe, Mutter von zwei schon erwachsenen Söhnen. Als Krankenschwester arbeitet sie, bald will sie in den Ruhestand gehen, was für eine umtriebige, sozial engagierte Person wie sie es ist, kaum denkbar erscheint. Nicht nur im Krankenhaus, auch im Privaten kümmert sich Rosa eher um andere Menschen als um sich selbst, so wie auch Alice (Lola Neymark), die Freundin von Rosas Sohn Sohn Sarkis (Robinson Stévenin). Alice arbeitet in einem Projekt mit, das zum Jahrestag der Katastrophe eine Gedenkveranstaltung organisiert, auch um den Druck auf die Stadt aufrechtzuerhalten, an den Zuständen im Viertel etwas zu ändern.
Aus diesem Grund kandidiert die umtriebige Rosa auch bei den bald anstehenden Kommunalwahlen, angesichts ihrer Beliebtheit im Viertel steht ihrem Einzug in den Stadtrad nichts entgegen. Doch dann lernt Rosa Alice Vater Henri (Jean-Pierre Darroussin) kennen, der gerade sein kleines Buchgeschäft aufgegeben hat und sich nun endgültig ausschließlich den schönen Dingen des Lebens widmen möchte. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit spürt Rosa das Bedürfnis, sich mehr um sich selbst zu kümmern, als um Andere.
Auf dem Papier könnte man „Das Fest geht weiter“ für eine leichte, harmlose romantische Komödie halten, in der ein älteres Paar ein spätes Glück erlebt. Doch auch wenn Robert Guédiguian nicht mit Bildern gleißender Sonnenuntergänge spart, in denen Marseille traumhaft schön wirkt, hat sein Film auch eine andere Ebene. Als ausgewiesener Sozialist hat der inzwischen 71jährige Regisseur immer wieder die Notwendigkeit und Bedeutung von persönlichem Engagement thematisiert, vom gesellschaftlichen Miteinander, von Bürgerinitiativen und lebhaften, lautstarken Protesten.
Agitatorisch mutet das bisweilen an, aber nie kitschig oder verklärt. So sehr Guédiguian auch eine Lanze für persönliches Engagement bricht, so sehr schwingt immer mit, welche persönlichen Opfer dafür gebracht werden müssen, wie gering die Chance auf einschneidende Veränderungen sind. Ob sich die Verhältnisse wirklich ändern können bleibt am Ende von „Das Fest geht weiter“ zwar offen, aber wie der Titel andeutet, siegt schließlich doch die Hoffnung über die Verzweiflung.
Michael Meyns