Das Glück an meiner Seite

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Nach dem Motto "Gegensätze ziehen sich an" inszeniert George C. Wolfe in „Das Glück an meiner Seite“ Hillary Swank und Emmy Rossum als an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS leidende Pianistin und ihre ziellos dahin lebende Pflegerin, die sich gegenseitig beflügeln. Wie eine amerikanische Version von „Ziemlich beste Freunde“ wirkt das oft, deutlich unsubtiler zwar, aber dennoch ergreifend.

Webseite: www.dasglueckanmeinerseite-film.de

OT: You’re not you
USA 2014
Regie: George C. Wolfe
Buch: Shana Feste, Jordan Roberts, nach dem Buch von Michelle Wildgand
Darsteller: Hillary Swank, Emmy Rossum, Josh Duhamel, Stephanie Betariz, Jason Ritter, Julian McMahon
Länge: 102 Minuten
Verleih: Koch Media
Kinostart: 30. April 2015
 

FILMKRITIK:

Einst war Kate (Hillary Swank) eine gefeierte Pianistin, jetzt leidet sie unter der Muskelkrankheit ALS. Auch kleinere Handgriffe werden immer schwieriger, ihr Körper gehorcht ihr zunehmend weniger, sie ist auf ständige Pflege angewiesen. Die findet sie ausgerechnet in Bec (Emmy Rossum), einer jungen College-Studentin, die kaum ihr eigenes Leben im Griff hat, trinkt, raucht und selbst ihr größter Feind ist. Diese beiden so gegensätzlichen Frauen treffen nun aufeinander und bilden bald ein eingeschweißtes Team. Während Kates Mann Evan (Josh Duhamel) aus Kates Haus geschmissen wird (er hatte eine Affäre) entwickelt  sich Bec schnell zu einer Art Ersatz-Tochter, die all das leben und erleben soll, was Kate durch ihren baldigen Tod versagt bleiben wird.

Subtil ist es nicht, wie George C. Wolfe seinen Film beginnt: Während Kates Leben von an Pedanterie ähnelnder Ordnung geprägt ist, jede Serviette, jedes Glas penibel auf dem Tisch liegen muss, lebt Bec im Chaos: Ihre Wohnung ähnelt eher einer Müllhalde und auch ihr Liebesleben ist ähnlich chaotisch: Wechselnde Bekanntschaften kreuzen ihren Weg, die sie am morgen unsanft vor die Tür setzt. Ihren Traum, als Sängerin auf der Bühne zu stehen, hat sie schon fast aufgegeben und sich damit abgefunden, eine Versagerin zu sein.

So dick trägt Wolfe diese Unterschiede auf, dass es besonders unglaubwürdig scheint, warum ausgerecht Bec als neue Pflegerin von Kate engagiert wird. Hat man sich jedoch mit dieser Konstruktion abgefunden, kann man sich auf die Qualitäten von „Das Glück an meiner Seite“ konzentrieren, die im Laufe der Zeit immer stärker zum Vorschein treten.

Da wäre zuallererst Hillary Swank zu nennen, die einmal mehr eine eindrucksvolle Darstellung abliefert und in Kate eine weitere Frauenfigur entstehen lässt, die Stärke, Selbstbewusstsein und Emotionalität verkörpert. Besonders den zunehmenden körperlichen Verfall Kates, die sich häufenden Anfälle, die verkrampften Hände, die Verzweiflung in den Augen, wenn die Pianisten ihr geliebtes Instrument betrachtet, dass sie längst nicht mehr spielen kann, macht Swank zu einem darstellerischen Parforceritt, neben dem alles andere verblasst.

Dagegen wirkt Emmy Rossum als ziellose Rebellin zunächst wenig glaubwürdig, was sich erst ändert, als sie die Menschlichkeit ihrer Figur herausstellt, das plötzliche Verantwortungsgefühl in der Rolle der Pflegerin. Wenn Bec und die im Elektro-Rollstuhl sitzende Kate die Gegend unsicher machen, fühlt man sich unweigerlich an den französischen Erfolgsfilm „Ziemlich beste Freunde“ erinnert, der sich eines ganz ähnliches Muster der Gegensätze bediente. Dessen Qualitäten erreicht „Das Glück an meiner Seite“ zwar nicht, dafür bleibt George C. Wolfes Film stets zu konventionell, hakt zu penibel die erwartbaren Handlungsmomente ab. Doch nach anfänglicher Unsubtilität entwickelt das Drama doch noch einige Qualität, wird emotional, ohne allzu rührselig zu werden und schildert auf ergreifende Weise die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft.
 
Michael Meyns