Das Leben gehört uns

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Romeo und Juliette - eine große Liebe und ihre Bewährungsprobe: Das junge Paar muss jahrelang um das Leben des kleinen Sohnes kämpfen. Valérie Donzelli zeigt, wie man aus dieser heiklen Vorgabe einen Film schaffen kann, bei dem sich Lebensfreude und Optimismus von der Leinwand direkt auf das Publikum übertragen. Der französische Oscar-Kandidat als bester ausländischer Film ist eine warmherzige Familiengeschichte und ein mitreißender Film über das Leben und den schwierigen Kampf gegen Schicksalsschläge, vor denen man in die Knie gehen oder gegen die man sich mit aller Kraft wehren kann.

Webseite: www.prokino.de

Originaltitel: La Guerre est Déclarée
Frankreich 2011
Regie: Valérie Donzelli
Drehbuch: Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm
Kamera: Sébastian Buchmann
Darsteller: Brigitte Sy, César Desseix, Gabriel Elkaïm, Michèle Moretti, Valérie Donzelli
Verleih: Prokino
Kinostart: 26.04.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Um gleich zu Beginn die Sensibleren zu beruhigen: Am Ende ist das Kind gesund, freut sich seines Lebens, und alle sind glücklich. Aber dies ist ohnehin eher ein Film über die Liebe als über Krankheit.

Alles beginnt wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch für Verliebte, die leidenschaftliche Romanze entwickelt sich bald zum Start ins gemeinsame Leben, denn Romeo und Juliette sind offensichtlich füreinander bestimmt. Mit der Geburt ihres Kindes ist das Glück vollkommen. Adam heißt der niedliche Fratz, den der Papa ebenso liebevoll betreut wie die vielbeschäftigte Mama. Der Kleine kränkelt immer mal wieder. Die Hausärztin rät schließlich zu weiteren Untersuchungen. Juliette und Romeo beruhigen wechselseitig sich selbst, einander, das Kind, die Großeltern. Es wird schon nicht so schlimm werden … aber es wird richtig schlimm. Adam hat einen Gehirntumor. Die Heilungschancen seien gut, heißt es. Doch die Prognose wird sich ändern, so wie sich das ganze Leben des Paars ändert. Romeo und Juliette verzweifeln nicht, sondern sie erklären der Krankheit humorvoll und entschlossen den Krieg. Über Jahre leben sie nur noch für ihr Kind, sie opfern alles dafür, auch ihre Liebe. Am Ende haben sie ihr Ziel erreicht.

Wie Valérie Donzelli (Drehbuch, Regie und Hauptrolle) gemeinsam mit Co-Autor und Romeo-Darsteller Gabriel Elkaïm diese Geschichte auf die Leinwand bringt, ist ziemlich überraschend. Anstelle einer Sammlung von dramatischen Bildern leidgeprüfter Angehöriger und besorgter Mediziner wird eine optimistische, oft sogar komische Geschichte präsentiert. Valérie Donzelli und Gabriel Elkaïm spielen ein perfekt aufeinander eingespieltes Paar, das sich die Lust am Leben bewahrt, auch wenn die Ausgelassenheit der Anfangsszenen später manchmal dem Galgenhumor weicht. Der hübsche, feurige Gabriel Elkaïm zeigt den Zweifler, der von seiner Frau auf Kurs gebracht werden muss, ebenso überzeugend und anrührend wie den vernünftigen, tröstenden Ehemann. Valérie Donzelli strahlt Sicherheit und Zuversicht aus, sie ist eine zu allem entschlossene Mutter. Verlässlich, diszipliniert – ein Fels in der Brandung. Nur selten bricht bei ihr die Angst aus, dann verändert sich ihr Blick, wird unruhig und sucht Halt bei Romeo. Das Paar stützt einander, die Rettung des Sohnes wird zur Mannschaftsleistung, der sich alles unterordnen muss.

Obwohl es sich um autobiographische Erfahrungen handelt, verfällt Valérie Donzelli nicht in Selbstmitleid. Mit leichter Hand zeigt sie in erfrischend unbefangenen Bildern und humorvollen Dialogen, wie Romeo und Juliette sich Mut machen. Sie halten zusammen als Schutztruppe und Streitmacht für ihren Sohn, gelegentlich sogar in Uniform: mit Gesichtsmasken und sterilen Anzügen im Krankenhaus oder in identischer Kleidung beim gemeinsamen Joggen. Generalstabsmäßig planen sie den Umgang mit ihren Familien, die Betreuung, die Freizeit. Bei aller Komik hat das viel Ernsthaftigkeit. Humor ist bekanntlich eine wichtige Waffe gegen alle Fährnisse des Lebens. Trotz aller originellen Einfälle wirkt der Film weder platt noch seicht, im Gegenteil.

Dabei schöpft Valérie Donzelli aus einem reichhaltigen Repertoire an Bildern und Symbolen aus der Filmgeschichte. Sie spielt mit Erzählformen und Genres, zitiert aus Musical, Märchen und Melodram und schafft dabei eine eigene, prägnante und sehr dynamische Bildsprache. Eine Menge Bewegung herrscht in diesem Film, oft unterstützt von sensibel eingesetzter Musik aus vielen Epochen und Stilrichtungen zwischen Klassik, Chanson und Electro. Die Kamera bleibt dicht an den Protagonisten, sie schafft betriebsame Nähe, wie bei den Fahrten durch scheinbar endlose Krankenhausgänge, wenn die Eltern neben Adam im Kinderbettchen herlaufen und sich in ihren Gesichtern Entschlossenheit, Angst und Hoffnung spiegeln.

Valérie Donzellis Film tröstet und ermutigt, aber er vermittelt mit viel Humor auch eine zutiefst menschliche Botschaft: „Gemeinsam können wir alles bewältigen.“ Trotz dieser ebenso schlichten wie wahren Aussage ist dieser Film alles andere als ein rührseliges Sozialdrama oder eine simple Krankheitsgeschichte. Vielleicht gerade deshalb wurde er der französische Oscar-Kandidat: als warmherzige Familiengeschichte mit optimistischer Grundstimmung.

Gaby Sikorski

Basierend auf eigenen Erlebnissen schildert die französische Schauspielerin Valérie Donzelli in ihrem zweiten Film, wie sie und ihr Lebensgefährte mit der Nachricht umgehen, dass ihr kleiner Sohn einen Gehirntumor hat. Was zur unangenehmen Nabelschau hätte werden können, wird durch Donzellis bemerkenswert leichtfüßige Regie zu einem mitreißenden Film über das Leben und den schwierigen Zusammenhalt einer Familie in einer Krisensituation.

Schon wieder ein Film über eine schwere Krebs-/ Tumor-/ Demenzerkrankung ist man versucht zu sagen. Doch anderes als Filme wie „Halt auf freier Strecke“, „Vergiss dein Ende“, „Kein Mittel gegen Liebe“ oder „Love Life – Liebe trifft Leben“, die in den letzten Monaten auf die ein oder andere Weise schwere, tödlich verlaufende Krankheiten thematisierten, ist „Das Leben gehört uns“ ein geradezu beschwingter Film. Das liegt zum einen am positiven Ausgang der Geschichte (man darf es verraten, zumal der Film auf wahren Begebenheiten basiert), vor allem aber am Stil, den die bislang vor allem als Schauspielerin bekannte Valérie Donzelli in ihrem erst zweiten Film wählt. Zusammen mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten Jérémie Elkaim schrieb sie das Drehbuch, in dem in stilisierter Manier vom Beginn einer Liebe erzählt wird, die bald ein Kind hervorbringt. Roméo und Juliette heißen die von Elkaim und Donzelli gespielten Figuren, die sich auf einer Party kennen lernen und sofort erkennen, dass sie füreinander bestimmt sind. In rasanten Bildmontagen, begleitet von wechselnden Erzählerstimmen, die nebensächliche Handlungselemente kurzerhand erzählen, wird die Beziehung geschildert, die jeweiligen Familien eingeführt, die vielfältigen Interessen des Paares angedeutet. Nach ein paar Minuten Filmzeit ist Adam geboren, ein reizendes Kind, das sich jedoch auffällig langsam entwickelt. Bald wird ein Gehirntumor diagnostiziert und die lange, schmerzhafte Tortur von Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten beginnt.

Donzelli und Elkaim spielen also Versionen ihrer selbst, als achtjähriger Adam ist später gar ihr gemeinsamer, inzwischen genesener Sohn Gabriel Elkaim zu sehen. Auf den ersten Blick wirkt dies wie die unangenehme Entblößung höchst persönlicher Ereignisse, ein Zurschaustellen des eigenen Kindes, des eigenen Leids, das eher unangenehm berühren müsste. Zumal gerade die Passagen, die im Krankenhaus spielen, in exakt dem Krankenhaus gedreht wurden, in dem der echte Sohn des Paares gegen seine Krankheit kämpfte, die Eltern also im Film Situationen nachspielen, die sie einige Jahre zuvor tatsächlich durchlebt haben.

Dass das Ergebnis dennoch keine unangenehme Nabelschau ist, verblüfft und spricht für die Qualität von Donzellis Regieleistung. Hätte sie die Geschichte in realistischer Manier erzählt, wäre das Experiment wohl schief gegangen. Doch sie wählt einen völlig anderen Weg: Schon die Wahl der Namen deutet die extreme Stilisierung an und so geht es weiter. Inspiriert von der schwerelosen Erzählweise früher Filme der Nouvelle Vague, besonders Francois Truffauts, entwickelt sich die Geschichte, unterlegt von vielfältiger Musik, die bisweilen gar zu Musicalnummern im Stile Jacques Demys werden. Es ist ein schmaler Grad zwischen Tragik und Komik den Donzelli versucht und den sie dank eines erstaunlichen Gespürs für genau das richtige Maß an Albernheit bzw. Nachdenklichkeit auch jederzeit trifft.

Der deutsche Titel trifft es fast noch besser als der Originaltitel: „Das Leben gehört uns“, ein mitreißender Film über das Leben und den schwierigen Kampf gegen Schicksalsschläge, vor denen man in die Knie gehen oder gegen die man sich mit aller Kraft wehren kann.

Michael Meyns

Romeo heißt der junge Mann, der sich mit Freunden in einer Disco herumtreibt. Er sieht eine Schöne – und sofort funkt es. Noch dazu heißt sie Julia (Juliette in der französischen Originalfassung des Films). „Dann erwartet uns ein schweres Schicksal“, scherzen sie beide.

Glück, Heirat. Bald kommt ein Kind auf die Welt, der kleine Adam. Noch eine Zeitlang geht es gut. Dann zeigen sich bei dem Kind Unregelmäßigkeiten. Adam kann nicht gescheit gehen, eine Wange schwillt an. Diagnose: Gehirntumor, und zwar eine schwere Form. Immerhin kann man operieren.

Nun beginnt eine harte Periode: bangen, hoffen, Krankenhaus, Chemotherapie, Verzweiflung, Aufgabe des Arbeitsverhältnisses (um bei dem Kind bleiben zu können), Besserung, Rückfall, Schulden, Nervenkrieg der Eltern, extremer Kummer bei Verwandten und Bekannten – zwei Jahre lang.

Adam, der zuweilen nur eine Überlebenschance von zehn Prozent hatte, wird geheilt. Die Nachuntersuchungen fallen gut aus, auch nach Jahren noch. Der Kampf ist überstanden, das Durchhalten hat sich gelohnt.

Das Verhältnis zwischen Romeo und Juliette allerdings ist ein anderes geworden. Zeitweise zerbrachen sie an der Schwere ihrer Last. Trennung, dann wieder Versöhnung. Zuletzt bleibt die Freundschaft.

Die Regisseurin, die selbst (gut) spielt, und ihr Mann haben Ähnliches erlebt. Sie schrieben und filmten sich das Unglück von der Seele. Eine Möglichkeit, über eine dramatische Lebensphase hinwegzukommen. Vielleicht auch ein Beispiel für andere, wie man mit Tragik fertig wird.

Gemacht ist der Film durchaus realistisch (wie gesagt teilweise autobiographisch) und lebendig. Immer wieder fröhliche und traurige Bilder nah beieinander. Nicht einmal eine gute Portion Humor fehlt, und sei er manchmal aus reiner Verzweiflung entstanden.

Ein dramatisches Lebensbeispiel. Überwundene Tragik. Vielleicht hilfreiches Anschauungsmaterial für andere.

Thomas Engel