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Thriller und Psychodrama, Familientragödie und diskret überzogener Pulp: Hier wird die Welt des Kleinbürgers nicht nur auseinandergenommen, sondern zerfetzt. Wenn Patrick nebst Kumpel Elmer die Geburtstagsparty seines bisher unbekannten Vaters aufmischt, dann steht schon relativ früh fest, dass es hoch hergehen wird.
Anfangs mit angenehmer Ironie und durchgängig mit gelegentlich verblüffender Gewaltbereitschaft erzählt, entwickelt sich der Plot – „Funny Games“ lässt grüßen – bald zu einer Tour de force durch die Abgründe familiärer Beziehungen.

Webseite: www.DeAD-im-Kino.de

Deutschland 2012
Regie & Buch: Sven Halfar
Kamera: Carol Burandt von Kameke
Länge: 104 Minuten
Verleih: Aries Images
Vertrieb: Barnsteiner Film
Kinostart: 13.02.2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Patricks Mutter hat sich umgebracht – erhängt; er findet sie und damit ihr Tagebuch. Mehr von Wut als von Trauer getrieben, macht sich Patrick gemeinsam mit seinem Kumpel Elmer auf den Weg, um den Kerl zu finden, der sich vor mehr ca. 30 Jahren aus der Verantwortung gestohlen hat, seinen Vater. Mit ihrem alten Ami-Schlitten kommen die beiden Jungs gerade rechtzeitig zum 60. Geburtstag von Reimund, der ein Internat leitet. Reimund lebt in einer großbürgerlichen Idylle, er hat eine hübsche Frau, eine niedliche Tochter und ein schönes Haus. Doch Reimund hat auch seine kleinen Geheimnisse, die Patrick schnell entdeckt. Er stellt sich dem Jubilar als bislang unbekannter Sohn vor und wird mit seinem Kumpel Elmer zum Mittelpunkt einer merkwürdigen Geburtstagsparty, die langsam, aber sicher aus dem Ruder läuft. Alkohol und Drogen helfen dabei, dass die Masken schneller fallen. Reimunds Frau Judith entpuppt sich als frustrierte Zicke, die pubertierende Tochter Romy macht auf Lolita, doch erst als Reimunds Ex-Frau Birgit nebst verpimpeltem Upperclass-Sohn Holger erscheint, ist die Familienfeier komplett. Die bürgerliche Fassade fällt in sich zusammen …

Der Anfang ist vielversprechend: ein aufwändiger Trickfilm als Vorspann, darunter ein Soundtrack mit rockigen Countryklängen. Was als Roadmovie beginnt, entwickelt sich jedoch bald zu einem post-strindbergschen Kammerspiel, in dem sämtliche Figuren auf die Katastrophe zusteuern. Niemand scheint sich aufraffen zu wollen, die absehbare Tragödie zu verhindern. Seltsam kalt und unnahbar bleiben die Personen. Aus seiner eigenen Drehbuchvorlage komponiert Sven Halfar einen Film, der mit der Künstlichkeit ebenso kokettiert wie mit der Gewalt, die hier glücklicherweise meist eher angedeutet als detailliert gezeigt wird. Tilman Strauß spielt Patrick als ruhelosen, launischen Bad Guy, dessen unheimliche Neigung zu Willkür und Grausamkeit den Film begleitet. Sein Gegenspieler ist Thomas Schendel als Reimund – ein nach außen gefestigter und seriöser Vertreter wohlanständigen Spießertums. Dass er als Vater versagt hätte, kann ihm nicht einleuchten. Er ist sich auch sonst keiner Schuld bewusst, denn Patricks Mutter, an die er sich kaum erinnern kann, war nur eine außereheliche Episode von vielen. Suzanne von Borsody und Judith Rosmair spielen die beiden Frauen in Reimunds Leben. Die aktuelle Ehefrau (Judith Rosmair) übt sich anfangs in damenhafter Zurückhaltung, die allerdings bald einem sehr schrillen Ton weicht. Die Exfrau (Suzanne von Borsody) ist eine aufgetakelte Fregatte, die dank ihres Alkohol- und Drogenkonsums schnell sämtliche Hemmungen verliert.

Der Mut zur Originalität ist bei Sven Halfar durchaus vorhanden, auch wenn vieles bekannt wirkt: das Spiel mit der scheinbar heilen Welt der Familie, mit Lebenslügen, Spießertum und geheuchelter Wohlanständigkeit – für die kleine Perversion zwischendurch ist immer noch Zeit, und Liebe an sich und überhaupt gibt es nicht. Weder zwischen Mann und Frau noch zwischen Mutter und Kind oder Vater und Sohn. Die Wortspiele mit dem Filmtitel haben durchaus ihre Bedeutung. Hier geht es nicht darum, psychologische Ursachenforschung zu betreiben oder Lösungsmöglichkeiten zu finden. Es geht um Spiele, um grausame Spiele, die Menschen miteinander spielen, weil sie eigentlich um Liebe betteln wollen, aber nicht können. sic!

Gabriele Sikorski