Das in der Schweiz gedrehte Spielfilmdebüt „Der Fleck“ handelt von einer Gruppe junger Leute, die einen ereignislosen Nachmittag an einem Fluss verbringen – und mit ihrem Gefühlschaos und ihren Unsicherheiten hadern. Zwischen Langeweile, Ratlosigkeit und Tristesse versuchen sie, ihren Befindlichkeiten und wahren Emotionen nachzuspüren. Erzählerisch und inhaltlich dürftig, überzeugt die Mixtur aus Jugend-Drama und Naturfilm mit seiner träumerischen Atmosphäre und den symbolhaften, mehrdeutigen Bildern.
Über den Film
Originaltitel
Der Fleck
Deutscher Titel
Der Fleck
Produktionsland
DEU,CHE
Filmdauer
90 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Willy Hans
Verleih
Grandfilm GmbH
Starttermin
10.07.2025
Der 17-jährige Simon (Leo Konrad Kuhn) befindet sich auf dem Weg nach Hause, als er auf seinen Freund Enes (Shadi Eck) trifft. Enes erzählt Simon von einem Treffen befreundeter Gleichaltriger, die am Fluss abhängen. Nach kurzem Überlegen beschließt Simon mitzukommen. Am Fluss dominieren unter den jungen Leuten Eintönigkeit und sinnloser Zeitvertreib, gleichzeitig werden verstohlene Blicke ausgetauscht und vorsichtige Flirtversuche unternommen. Schließlich zieht es Simon in den nahen Wald. Nur Marie (Alva Schäfer) folgt ihm. Zusammen erkunden sie die traumhaft-mystische Landschaft.
„Der Fleck“ ist das Langfilmdebüt des Hamburgers Willy Hans, dessen Mix aus Coming-of-Age-Film und experimentellem Natur-Drama im vergangenen Jahr beim Locarno Filmfest Premiere feierte. Hans rückt den Teenager Simon (authentisch und charismatisch: Leo Konrad Kuhn) in den Mittelpunkt seiner mutigen filmischen Versuchsanordnung. Sie handelt im Kern von jugendlichen Empfindungen, emotionalen Unsicherheiten und einem von Tagträumen und Ereignislosigkeit bestimmten Nachmittag im Leben der Teenager.
Die empfundene Schwermut und Langeweile spiegeln sich nachdrücklich in Simons Gesicht. Und schon in den ersten zehn Minuten wird klar, dass es in „Der Fleck“ entschleunigt und eher phlegmatisch zugehen wird. Der Zuschauer beobachtet Simon dabei, wie er auf den Bus wartet, lethargisch von der Schule nach Hause läuft und in seinem Zimmer die Zeit totschlägt. Am Fluss setzen sich diese Lethargie und Trübseligkeit fort. Die Freunde wirken unmotiviert, gelegentlich wird gebadet, geraucht und gedöst. Dazwischen führen sie oberflächliche Gespräche über Banales und Nichtigkeiten. Kurze Unterhaltungen, die vielmehr dem Small-Talk mit dem Nachbarn ähneln („Ganz schön heiß heute, oder?“ „Ja, ziemlich.“). Viel mehr passiert in Sachen Handlung nicht.
Und so stellen sich auch beim Zusehen spätestens nach der Hälfte erste Anflüge von Langatmigkeit ein. Für einen 90-minütigen Film ist „Der Fleck“ erzählerisch ungenügend – es fehlt an inhaltlichen Nuancen und einer mitreißenden Handlung. Vieles bleibt zudem vage und wirkt nicht zu Ende gedacht, das betrifft ebenso die Botschaft des Films. Was genau will uns Hans mit den ziellos durch den Alltag driftenden Jugendlichen sagen?
Dafür spielt der Film seine Stärken woanders aus: in den gezielt eingesetzten surrealen Abschweifungen und der technischen Umsetzung. Hans beweist Mut für ungewöhnliche Einstellungen und Perspektiven, beobachtet das Geschehen mal aus der Nähe, mal aus sicherer Entfernung. Die Natur und den Fluss setzt er ganz besonders in Szene. Sie fungieren gewissermaßen als eigene Darsteller.
Wenn Motive plötzlich verschwimmen, die Kamera ganz langsam schwenkt und Hans den im Sonnenlicht funkelnden Fluss und die erhabene Natur mittels Close-Ups in all in ihrer Schönheit zeigt, wähnt man sich inmitten einer entschleunigten, prächtig bebilderten Natur-Doku. Drehort war u.a. die Gemeinde Berg am Irchel im Schweizer Kanton Zürich. Auch spielen Farben eine zentrale Rolle. Die Nahaufnahmen der blauen Flusssteine und zerklüfteten schwarz-grauen Felslandschaft ebenso wie farbliche Verfremdungen sowie bewusst eingesetzte Artefakte im Bild erzeugen eine traumhafte, fast unwirkliche Stimmung.
Bedauerlich ist, dass man den jugendlichen Figuren nicht wirklich nahekommt. Und nicht einmal über Simon erfährt man sonderlich viel, außer, dass er Schauspieler werden will. Somit hält Hans den Zuschauer aufgrund der Unnahbarkeit der Charaktere emotional auf Distanz. Die Figuren bleiben einem seltsam fremd, sie sind einem egal. Diesen Mangel gleicht „Der Fleck“ allerdings auf akustischer Eben wieder aus, da sich der unaufdringliche Score den surrealen Bildern wunderbar angleicht. Verantwortlich dafür sind wabernde elektronische Sounds und bisweilen Unbehagen erzeugende Instrumentalklänge, mit denen Hans gekonnt viele der unwirklichen, rätselhaften Szenen untermalt.
Björn Schneider