Im Dezember 2024 verstarb Wolfgang Becker, nun kommt, fast pünktlich zum 1. Todestag des Autors und Regisseurs, sein letzter Film in die Kinos. „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ erweist sich als typischer Becker-Film, erzählt mit großem Herzen von leicht gebrochenen Menschen, bleibt stets sanft satirisch und vor allem sehr emotional.
Über den Film
Originaltitel
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Deutscher Titel
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Produktionsland
DEU
Filmdauer
112 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Becker, Wolfgang / von Borries, Achim
Verleih
X Verleih AG
Starttermin
11.12.2025
Heutzutage noch eine Videothek zu führen wirkt anachronistisch, um nicht zu sagen wagemutig. „The Last Tycoon“ nennt Micha Hartung (Charly Hübner) seinen Laden in Berlin, Briefe vom Gericht und sonstige Mahnungen ignoriert er geflissentlich, doch so kann es nicht weitergehen.
Da kommt ihm das Angebot des windigen Journalisten Alexander Landmann (Leon Ullrich) gerade recht, der für ein Nachrichtenmagazin mit rotem Rand schreibt, das hier allerdings fakt heißt. Landmann hat herausgefunden, dass Micha Mitte der 80er Jahre an der größten Massenflucht aus der damaligen DDR beteiligt war: Als Weichensteller hatte Micha einen S-Bahn-Wagen mit über 100 Passagieren auf die falsche (oder je nach Sichtweise richtige Spur) gelenkt. Gegen ein gutes Honorar, man könnte auch Bestechungsgeld dazu sagen, erklärt sich Micha bereit, seine Geschichte zu erzählen: Die Landmann ein klein wenig umdichtet.
Auf einmal gilt Micha als Held vom Bahnhof Friedrichstraße, wird in Talkshows eingeladen, soll in einer schnell geplanten Verfilmung seiner Geschichte vom Star-Schauspieler Alex (Daniel Brühl) gespielt werden und lernt dazu noch Paula (Christiane Paul) kennen, die Liebe seines Lebens.
Doch auch der ehemalige Dissident Harald (Thorsten Merten) wird auf die wilde Geschichte der Flucht aufmerksam – und stutzt. Lange kann sich Micha nicht an seinem ungewollten, aber doch willkommenen Ruhm erfreuen.
Als der Journalist und Autor Maxim Leo 2022 seinen Roman „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ veröffentlichte kam man kaum umhin, an die Filme von Wolfgang Becker zu denken, besonders an dessen größten Erfolg „Good Bye, Lenin!“. Schwindeln, um sich aus einer Notlage zu befreien? Pointierte Verweise auf das Verhältnis und die Unterschiede zwischen Ost und West? Ein sympathischer, bescheidener Held, dem bald alles über den Kopf wächst? Die Ähnlichkeiten lagen auf der Hand, und so passt es perfekt, dass nun Wolfgang Becker den Roman adaptierte und inszenierte.
Die Premiere erlebte der seit langem in Berlin lebende Becker nicht mehr, während der Postproduktion verstarb der 70jährige, das Projekt wurde von Achim von Borries zu Ende gebracht, der fraglos im Sinne Beckers agierte und dessen typischen Tonfall beibehielt. Der hat stets einen Hang zum Melancholischen bewiesen und bevorzugt leise gegenüber lauten Tönen. Auch wenn das Gerüst von „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ das Potential zu einer bösen, um nicht zu sagen zynischen Medienkritik hätte, wählt Becker einen sanft satirischen Ton.
Wenn da der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins einmal voller Pathos sagt: „Ich sehe in ihm den Ostdeutschen Oskar Schindler“ muss man unweigerlich an die Relotius-Affäre denken, an Journalismus, der gerade nicht den Fakten verpflichtet war, sondern dem auch ideologischen Wunschdenken einer Redaktion. Doch mehr als Medienkritik interessiert sich Becker für das Zwischenmenschliche, für seinen allzu menschlich fehlbaren, aber stets liebenswürdigen Helden, der in gewisser Weise zum Spielball größerer Interessen wird.
So wie einst Daniel Brühl die jungenhaft, unschuldige Hauptfigur in „Good Bye, Lenin!“ spielte, ist es hier der nicht mehr ganz so junge, aber ebenfalls grundsympathische Charly Hübner, der Kern und Herz des Films ist. Ein bisschen schade mag man es zwar finden, dass Becker erneut einen durch und durch westdeutschen Schauspieler für so eine markant ostdeutsche Figur gecastet hat, aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen. Am Ende ist „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ der würdige Abschluss einer erfolgreichen filmischen Karriere, die Wolfgang Becker noch einmal als Meister der sanften, melancholischen Komödie zeigt.
Michael Meyns







