Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen

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Lovestory im Schottland der 50er Jahre: Die alleinerziehende Fabrikarbeiterin Lydia lernt die Ärztin und Bienenzüchterin Jean kennen und lieben. Im Dorf gibt es erst heimlichen Klatsch, dann offene Feindseligkeit. Besonders der Ex-Gatte von Lydia präsentiert sich als gewalttätiges Großmaul der einfältigen Art. Doch die Ladies lassen sich ihre Liebe nicht so leicht zerstören - und bekommen sogar Hilfe von den Bienen. Ein bisschen altbacken und vorhersehbar kommt die Romanverfilmung von „Der Honiggarten“ daher. Bei aller Betulichkeit überzeugen Darsteller und Ausstattung. Der Muff der 50er Jahre ist atmosphärisch gut getroffen. Ein Plädoyer gegen Intoleranz hat allemal aktuelle Relevanz.

Webseite: www.capelight.de

GB 2018
Regie: Annabel Jankel
Darsteller: Anna Paquin, Holliday Grainger, Emun Elliott, Steven Robertson
Filmlänge: 106 Minuten
Verleih: Capelight, Vertrieb: Central
Kinostart: 5.9.2019

FILMKRITIK:

„Erzähle deine Geheimnisse den Bienen. Dann fliegen sie nicht fort!“, staunend vernimmt der kleine Charlie den Ratschlag, als der fasziniert vor dem Bienenstock der Ärztin Jean steht. Die hat gerade seine Blessuren behandelt, denn einmal mehr wurde der schmächtige Junge von seinen Mitschülern malträtiert. Als Ich-Erzähler macht Charlie das Publikum zum Komplizen dieser Geschichte, in der seine alleinerziehende Mutter Lydia allmählich immer mehr ihre Zuneigung zu der zugezogenen Ärztin entdeckt. Nach der gescheiterten Ehe hat die Fabrikarbeiterin finanziell große Sorgen. Als sie obendrein plötzlich arbeitslos wird, scheint die Lage für Lydia schier ausweglos.
 
Auch Ärztin Jean plagen Probleme. Sie kehrt in das Dorf zurück, um die Praxis des Vaters zu übernehmen. Doch bald schlägt ihr Feindseligkeit entgegen. „Ich brauche keine Ratschläge, wie ich meine Tochter erziehe!“, reagieren die Bewohner barsch auf alles Neue. Mehr Dankbarkeit für ihre Hilfe erfährt Jean von der arbeitslosen Lydia, der sie eine Stelle im Haushalt anbietet. Charlie ist gleichfalls begeistert, nicht nur wegen der Bienen und weil Jean spontan sein Boot rettet. Der Junge spürt, dass es seiner Mutter seit langer Zeit endlich einmal gut zu gehen scheint. Das bleibt freilich auch dem cholerischen Vater nicht verborgen, der mit zunehmender Eifersucht auf das Glück seiner Ex reagiert. Derweil verstehen sich die beiden Frauen immer besser. Beim Wegblasen von zwei Bienen kommt es fast zum Kuss. „Nein, das dürfen wir nicht!“, reißen sich die beiden zunächst noch zusammen. Doch die Liebe in ihrem Lauf, halten weder Hass und Anfeindungen der Dorfbewohner nicht auf. Die Lage eskaliert dramatisch als Charlie die Frauen bei Zärtlichkeiten im Badezimmer erwischt und verstört zu seinem Vater flieht. Damit nicht genug, gerät eine junge Frau, die von ihrem farbigen Freund schwanger wurde, in höchste Not.
 
Mit Musikvideos für die Talking Heads, Tom Tom Club oder Elvis Costello machte sich die Londoner Regisseurin Annabel Jankel einst einen Namen, die Clips fanden Eingang in die Sammlung des Museum of Modern Art in New York oder des Victoria & Albert Museum. Weniger wild fällt diese Romanverfilmung aus. Recht betulich, fast im Malen-nach-Zahlen-Stil, erzählt Jankel diese Liebesgeschichte in der schottischen Provinz der Nachkriegszeit. Die Rollen von gut und böse sind klar verteilt, Für Ambivalenz oder Widersprüchlichkeit bleibt bei solchen Figuren aus dem Klischeebaukasten wenig Platz. Die Handlung bleibt gleichfalls eher schlicht und reichlich vorhersehbar. Die Botschaft geht über braves Toleranz-Abnicken à la „Lindenstraße“ kaum hinaus.  Gleichwohl kann das Drama durch eine auffallend gute Ausstattung punkten und bringt den Muff jener vermeintlich guten alten Zeit atmosphärisch dicht auf die Leinwand. Als großer Pluspunkt erweist sich das Ensemble. Vom angenehm unaufdringlichen Kinderdarsteller Gregor Selkirk, der jenseits altkluger Hollywood-Kids aufspielt bis zum glaubhaft sensiblen Liebespaar Holliday Grainger und Anna Paquin - letztere gewann als Neunjährige einst den Oscar für „Das Piano“. 
 
Dieter Oßwald