Er ist wieder da. Vor 12 Jahren gelang Philipp Stölzl mit der Bestseller-Verfilmung von „Der Medicus“ ein Kino-Coup, der hierzulande über 3,6 Millionen Besucher lockte. Nun geht das Historienspektakel um Aufklärung, Aberglaube und Medizin in die zweite Runde. Elyas M’Barek und Fahri Yardim sind leider nicht mehr mit von der Partie. Dafür gibt es jetzt noch mehr Bilder-Lametta. Die visuelle Wundertüte ist prall gefüllt. Beim Soundtrack haut der neue Medicus (gespielt wiederum von Tom Payne) gleichfalls gewaltig auf die Pauke. Man ist mittendrin, statt nur dabei in diesem so düsteren wie dreckigen 11. Jahrhundert. Und freut sich über das Licht der Aufklärung am Ende des Tunnels des dumpfen Fanatismus. Ein überwältigendes Eskapismus-Epos mit froher Botschaft!
Über den Film
Originaltitel
The Physician II
Deutscher Titel
Der Medicus II
Produktionsland
DEU
Filmdauer
142 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Stölzl, Philipp
Verleih
Constantin Film Vertriebs GmbH
Starttermin
25.12.2025
Mit seinem frivolen „Freischütz“ auf der Seebühne von Bregenz hat Philipp Stölzl die letzten beiden Sommer bei Presse und Publikum für Begeisterung gesorgt: die Auslastung von 100 Prozent spricht eine klare Sprache. Sogar einen queeren Anstrich gab er in seiner extravaganten Inszenierung dem deutschen Romantik-Klassiker. Der erfolgreiche Opern-Ausflug hat offensichtlich einen kreativen Kick für die Fortsetzung des mittelalterlichen Spektakels gegeben. Mehr Bilder-Lametta als im Vorgänger gibt es auf alle Fälle. Einmal mehr übernimmt Tom Payne die Rolle des Medicus Rob Cole. Er muss mit seiner hochschwangeren Gattin sowie einer Handvoll Getreuen aus Isfahan fliehen und kehrt in die britische Heimat zurück. Dort will er das revolutionär neue medizinische Wissen aus dem Orient in England verbreiten. Ein plötzlich aufkommender Sturm macht die Landung vor den weißen Kalkfelsen von Dover zum waghalsigen Manöver. Als Ouvertüre, noch vor dem Vorspann, kommt es zum fatalen Schicksalsschlag. Zugleich zur Geburt eines gesunden Säuglings.
Unbeirrt macht Medicus sich mit dem Rest seines Gefolges auf den Weg in die Stadt. Die Gilde der Ärzte will von den neuen Künsten der Medizin jedoch nichts wissen. Eifersüchtig wacht man über die eigenen Privilegien und Pfründe. Konkurrenz und Fortschritt bedrohen das lukrative Geschäft. Der Medicus lässt sich von seiner Mission jedoch nicht abbringen. Im Armenviertel baut er eine Krankenstation, deren Erfolge sich schnell herumsprechen. Die Quacksalber-Bonzen erkennen die drohende Gefahr und sinnen auf Rache. Als der Medizin-Rebell den kranken König heilt, ist es um dessen intriganten Günstlinge geschehen. Auch die vermeintlich wahnsinnige Thronfolgerin vermag der Medicus zu retten. Alle Zeichen stehen fortan auf Aufklärung und Vernunft. Die Rechnung jedoch wurde ohne die machtgierige Mätresse und ihre Hofschranzen gemacht.
Wie sein Vorgänger lässt auch die Fortsetzung die Mittelalterwelt mit visuellem Pomp leibhaftig werden. Die Bilder fallen bewusst düster aus, um die beklemmende Atmosphäre aus Armut, Dreck und Aberglaube spürbar zu vermitteln. Wie eine märchenhafte Oper klingt die Story. Gut und Böse sind klar verteilt. Für Zwischentöne ist da kein Platz. Gütiger König gegen gierige Geliebte. Wackere Heiler-Helden versus fiese Arzt-Funktionäre. Hilfsbereite Hexen und edle Kämpfer fehlen gleichfalls nicht im Kampf für Gerechtigkeit und Aufklärung. Wie schön, wenn ein unschuldiges Kind ganz intuitiv das Buch des Wissens vor miesen Machthabern rettet.
Zu schlicht? Zu sentimental? Zu klischeehaft? Absolut! Ein Epos braucht das Einfache eben einfach. Komplexe Strukturen wären für dieses Genre ebenso der dramaturgische Untergang wie für die klassische Oper oder ein Märchen. Hier zählt der unterhaltsame Kampf gegen die Abgründe der Ignoranz und des Bösen. Entscheidend sind die Schauwerte, da kann Philipp Stölzl einmal mehr mit visueller Originalität virtuos punkten. Sei es mit dem surreal anmutenden Kamel vor den Kreidefelsen von Dover. Dem gespenstischen Klostergefängnis der Königstochter an einer Klippe. Oder jenem Lungenschnitt in Großaufnahme, der für den gut dosierten Gänsehautfaktor sorgt. Auch bei Kostümen und Ausstattung greift das opulente Mittelalter-Spektakel in die Vollen.
Tom Payne gibt den heldenhaften Heiler mit derselben charismatischen Lässigkeit wie im Vorgänger. Ein kleines bisschen schade, dass Elyas M’Barek und Fahri Yardim nicht mit im Spiel sind. Aber wer weiß, vielleicht heißt es bei einem dritten Streich dann: Sie sind wieder da!
Dieter Oßwald







