Deutschboden

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Als „teilnehmende Beobachtung“ bezeichnete der Journalist und Autor Moritz von Uslar seine literarische Reportage "Deutschboden", die André Schäfer nun fürs Kino adaptiert hat. Teils Bebilderung der Buchvorlage, deren Text von Uslar selbst liest, teils eigenständige Spurensuche, ist „Deutschboden“ vor allem ein teilnahmsvoller Blick auf einen ganz eigenen Teil Deutschlands.

Webseite: www.wfilm.de

Deutschland 2013 - Dokumentation
Regie, Buch: André Schäfer, nach dem Buch von Moritz von Uslar
Länge: 90 Minuten
Verleih: w-Film
Kinostart: 27. März 2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ins finstere Ostdeutschland wollte Moritz von Uslar reisen, in gebeutelte Regionen irgendwo zwischen Berlin und dem Rest der Republik, zu weit von der Hauptstadt entfernt, um als Schlafstadt zu dienen, zu klein, um relevante Industrien zu beheimaten, dazu verurteilt, seine Bewohner von Hartz IV zu ernähren und auf bessere Zeiten zu hoffen, die nie kommen werden.

So einen Ort meinte von Uslar in Zehdenick gefunden zu haben, gut 60 Kilometer nördlich von Berlin gelegen, knapp 14.000 Einwohner und mit all dem ausgestattet, was man als Teil des Bürgertums von einem Kaff in Brandenburg erwartet: Trostlose Straßen, heruntergekommene Geschäfte, verlasse Gebäude, vermeintliche Neonazis, die vor der Tankstelle Bier aus Dosen trinken. Von ganz weit oben beschreibt von Uslar diesen Ort, den er in seinem Reportagebuch Oberhavel nennt und auch sonst immer knapp neben der Realität beschreibt.

Diese Brüche, diese Vermischung von Reportage und Fiktion erlauben es von Uslar mehr zu beschreiben, als eine eher langweilige Stadt, sondern viel über die Wahrnehmung des Ostens durch den Westen zu erzählen. In seinem Film schlägt André Schäfer in ähnliche Kerben, lässt von Uslar durch die Straßen Zehdenicks laufen, zeigt ihn in den Posen, an den Orten, die im Buch beschrieben werden und macht auf subtile Weise deutlich, wie losgelöst von der Realität von Uslars Text doch ist.

Manche der Protagonisten aus dem Buch tauchen auch im Film auf, manche Szene und Begegnungen scheint von Uslar geradezu nachzuspielen. All das macht „Deutschboden“ zu einem höchst ungewöhnlichen Film, der auf dokumentarische Weise eine Reportage verfilmt, die sich selbst zwischen dokumentarischem und fiktivem bewegte. Im Film taucht von Uslar dadurch praktisch gleichzeitig als er selbst auf, als Autor, der in die Provinz fährt, aber auch als fiktive Figur, so wie sie in seinem Buch auftaucht. Erneut begegnet er in dieser Rolle den Punk-Musikern der Band „5 Teeth Less“, vier junge Männer, alle arbeitslos, die sich mit ihrem Leben zwischen Musik und Bier abgefunden haben und entspannt den Klischees über den Osten entsprechen, um sie gleichzeitig zu unterlaufen.

Zumindest anfangs gelingt es Schäfers „Deutschboden“ das Spiel der Ebenen des Buchs ins filmische zu übertragen und ein elegisches, reiches Bild der ostdeutschen Wirklichkeit zu zeigen. Das sein Film mit zunehmendem Verlauf immer mehr zur eigenständigen Dokumentation wird, die bisweilen über von Uslars Reportage hinausgeht, macht ihn künstlerisch zwar weniger ambitioniert, aber nicht weniger interessant. Denn so wie Moritz von Uslar gelingt es auch André Schäfer mit offenem Blick auf die ostdeutsche Provinz zu blicken und damit ein Bild von einem Teil Deutschlands zu zeigen, der gemeinhin auf einige zwar nicht falsche, aber doch zu kurz greifende Klischees reduziert wird.

Michael Meyns