Die Gärtnerin von Versailles

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Mit dem opulentem Period-Piece „Die Gärtnerin von Versailles“, einer feinfühligen Romanze, seziert Regisseur Alan Rickman auch die gekünstelte Blasiertheit des europäischen Adels. Stringent setzt sein sensibles Erzählkino um eine starke Frau auf den Reiz des Unausgesprochenen, die Symbolik von Blicken und die leisen Zwischentöne. Nicht zuletzt die hervorragende Besetzung mit der Oscar-Preisträgerin Kate Winslet und dem belgischen Shootingstar Matthias Schoenaerts macht sein empfindsames Historiendrama sehenswert. Nur schade, dass es ausgerechnet seine faszinierende Hauptfigur so nie gegeben hat. Die berückende Kulisse englischer Schlösser und Gärten sorgt zudem für einen fulminanten, entspannenden Augenschmaus.

Webseite: www.tobis.de

Großbritannien 2014
Regie: Alan Rickman
Drehbuch: Jeremy Brock, Alison Deegan, Alan Rickman
Kamera: Ellen Kuras
Länge: 116 Minuten
Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Stanley Tucci, Alan Rickman, Helen McCrory, Jennifer Ehle, Paula Paul, Helen McCrory, Steven Waddington, Alisha Heng, Paulina Boneva, Danny Webb, Pauline Moran, Adrian Scarborough, Phyllida Law, Cathy Belton, Andrew Crayford
Verleih: TOBIS
Kinostart: 30.4.2015

FILMKRITIK:

Frankreich, Ende des 17. Jahrhunderts. „Dieses Durcheinander, das ist ihr Paradies?“, will der königliche Landschaftsarchitekt André Le Notre (Matthias Schoenaerts) irritiert mit Blick auf das wilde Pflanzenmeer wissen. „Es ist meine Suche danach“, antwortet ihm die mittellose, verwitwete Gärtnerin Sabine De Barra (Kate Winslet) bescheiden. Ihre kreative Vision, wie sie neuer und kühner kaum sein könnte, macht den obersten Gartenbaumeister trotzdem neugierig. Denn für seinen ehrgeizigen Auftrag, in Versailles einen riesigen Garten für den Sonnenkönig Ludwig IVX. und sein Gefolge anzulegen, benötigt er dringend extravagante Ideen.
 
Während Monsieur Le Notre die Symmetrie über alles geht, liebt seine talentierte Kollegin als Freigeist das Unkonventionelle. Schon vor dem Vorstellungsgespräch rückt sie selbstbewusst einen schweren Blumentopf des Meisters aus der Achse. Dass er sie danach dennoch anstellt, um den üppigen, royalen Barockgarten zu gestalten, kommt in einer von Männern dominierten Welt einer Revolution gleich. Vor allem seiner eifersüchtigen Gattin (Helen McCrory) ist die aparte, geschickte Gärtnerin ein Dorn im Auge.
 
Misstrauisch muss sie mit ansehen, wie ihre Entwürfe nicht nur die Phantasie ihres Mannes beflügeln. Mehr und mehr fühlen sich die beiden Seelenverwandten zueinander hingezogen. Mit all ihrer Macht versucht Madame Le Notre die Verbindung zu sabotieren. Aber auch der König (Alan Rickman), ein kunstsinniger, eitler Mann, ist von Sabines Natürlichkeit angetan. Und so muss sich die naturverbundene, eigenwillige Frau nicht nur Wind und Wetter entgegenstellen, sondern auch gegen höfische Intrigen behaupten.
 
„Solche Charaktere, die sich ein wenig fremd in ihrer Welt fühlen und nach ihren eigenen Regeln leben“, verrät die britische Oscarpreisträgerin Kate Winslet „ziehen mich stark an“. Nicht zuletzt deshalb musste Regisseur Alan Rickman die dreifache Mutter nicht lange überreden bei seinem zweiten Regieprojekt mitzumachen. Außerdem ist es nicht ihre erste Zusammenarbeit. Bereits für Ang Lees exzellent adaptierten englischen Klassiker „Sinn und Sinnlichkeit“ standen die beiden versierten Charakterdarsteller gemeinsam vor der Kamera.
 
In seiner Nebenrolle als eitler König liefert sich das Gespann geschliffene Wortwechsel. Denn Rickmans elegantes Sittengemälde erzählt nicht nur gekonnt die Entstehung des Ballsaal-Bosketts der Barockgärten. Sondern seziert gleichzeitig mit ironischem Blick die Heucheleien der höfischen Gesellschaft. Freilich betört vor allem die im Mittelpunkt stehende romantische Liebesgeschichte die Sinne. Denn der belgische Shootingstar Matthias Schoenaerts („Der Geschmack von Rost und Knochen“) beweist hier bestechend, dass er auch die sanften Töne trifft.
 
Für den prächtigen Rahmen dieses opulenten Historiendramas entwirft die Oscar nominierte Kamerafrau Ellen Kuras exquisite Kompositionen, die fast schon an Stanley Kubricks barockes Meisterwerk „Barry Lyndon“ erinnern, das sich bei Innenaufnahmen auf Kerzenlicht beschränkte. Dabei lässt Kuras ihre Bilder jedoch nicht durch Ausstattung und Kostüme erdrücken. Während die Gärtnerin leider nur eine fiktive Figur ist, gilt André Le Nôtre bis heute als einer der berühmtesten Gärtner der Weltgeschichte.
 
Der Stararchitekt jener Tage, prägte nicht nur die Gartenarchitektur der damaligen Zeit. Sein Einfluss reicht über seine Epoche hinaus bis in die moderne Landschaftsarchitektur. Sein schöpferisches Genie setzte universelle Maßstäbe. Er verstand es, sich mit herausragenden Ingenieuren und Künstlern zu umgeben, die eigens nach Versailles geholt wurden, um seinen Traum, den französischen Barockgartens, jardin à la française, Wirklichkeit werden zu lassen.
 
Luitgard Koch