Die Gewerkschafterin

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Nach „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ arbeiten Regisseur Jean-Paul Salomé und Hauptdarstellerin Isabelle Huppert in „Die Gewerkschafterin“ erneut zusammen, einem Film, der auf wahren Begebenheiten basiert. Um dunkle Geschäfte im Bereich der Atomindustrie geht es, vor allem jedoch um alltäglichen Sexismus in allen Bereichen der französischen Gesellschaft.

La syndicaliste
Frankreich 2022
Regie: Jean-Paul Salomé
Buch: Fadette Drouard, Caroline Michel-Aguirre, Jean-Paul Salomé
Darsteller: Isabelle Huppert, Gregory Gadebois, Yvan Attal, Marina Foïs, Pierre Deladonchamps, François-Xavier Demaison, Alexandra Maria Lara

Länge: 121 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 27. April 2023

FILMKRITIK:

Ursprünglich begann die aus Irland stammende Maureen Kearney (Isabelle Huppert) beim französischen Mischkonzern Areva als Englischlehrerin zu arbeiten. Anfang der Zehner Jahre ist sie jedoch Personalrätin und setzt sich für die Belange der Mitarbeiter oder vor allem der Mitarbeiterinnen ein.

Mit Luc Oursel (Yvan Attal) bekommt der Konzern einen neuen Chef, der plant, eine Kooperation mit China einzugehen, die die Sicherheit vieler Arbeitsplätze gefährden würde. Immer größer wird der Druck auf Maureen, sie scheint verfolgt zu werden, bekommt anonyme Drohanrufe, bis die Gewerkschafterin gar Opfer eines Überfalles wird. Ihre Haushälterin findet sie gefesselt und geknebelt vor, mit einem Messer wurde ein „A“ in ihren Bauch geritzt, das Messer schließlich mit dem Griff in ihrer Vagina eingeführt.

Dennoch zweifelt die Polizei daran, dass Maureen tatsächlich überfallen wurde. Besonders der Polizist Nicolas Brémont (Pierre Deladonchamps) ist davon überzeugt, dass Maureen das Verbrechen nur vorgetäuscht hat. Auf einmal wird gegen Maureen ermittelt, muss sich die Gewerkschafterin vor Gericht verantworten.

Als moderne Variation der legendären Paranoia-Filme aus den 70er Jahre möchte Jean-Paul Salomé seinen Film verstanden wissen, als Hommage an Klassiker wie „Die Unbestechlichen“ oder „Zeuge einer Verschwörung.“ Viel mehr als an diese amerikanischen Filme mag man aber an die Filme von Costa-Gavras denken, vor allem die pulsierende Musik, die eine unwirkliche, nur zu erahnende Bedrohung suggeriert, erinnert an Politthriller wie „Z“ oder „Das Geständnis.“ Als Problem in dieser ersten Stunde von „Die Gewerkschafterin“ erweist sich jedoch, dass die Machenschaften der Konzerne, um die es geht, so undurchschaubar bleibt, dass ein mit den Feinheiten der französischen Atomwirtschaft nicht vertrauter Zuschauer kaum versteht, was vorgeht. Denn das von Salomé in Kooperation mit Fadette Drouard und Caroline Michel-Aguirre geschriebene Buch vermag es nicht, verständlich zu machen, welche (problematischen) Folgen eine Zusammenarbeit der französischen und chinesischen Konzerne haben könnte.

Zunehmend gerät diese eigentliche Basis der Geschichte dann auch in den Hintergrund, wenn Maureen nach dem Überfall selbst in Verdacht gerät, es gar zu einem Prozess gegen die Gewerkschafterin kommt. Von Sexismus und Vorurteilen in praktisch allen Bereichen der französischen Gesellschaft erzählt Salomé dann, fraglos ein relevantes, wichtiges Thema, das allerdings etwas zu schematisch abgehandelt wird.

Unweigerlich muss man in diesen Szenen an Paul Verhoevens „Elle“ denken, in dem Isabelle Huppert ebenfalls das Opfer einer Vergewaltigung spielte, das sich nicht so verhält „wie man das von einem Opfer erwartet.“ Eine Rolle wie gemacht für Isabelle Huppert also, die auch in einem Film überzeugt, dessen Drehbuch sie immer wieder im Stich lässt. Die interessanten Ansätze von „Die Gewerkschafterin“ finden am Ende nur bedingt zusammen, die Mischung aus Paranoia-Film und Polit-Thriller überzeugt vor allem  in den Momenten, in denen sich die Geschichte auf den alltäglichen Sexismus der Gesellschaft konzentriert.

 

Michael Meyns