Die Königin und der Leibarzt

Zum Vergrößern klicken

Eine verbotene Liebe und politische Intrigen, aktuelle Bezüge und eine außerhalb von Dänemark kaum bekannte historische Episode. Nikolaj Arcels „Die Königin und der Leibarzt“ – auf der diesjährigen Berlinale mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet – erzählt in prunkvollen Bildern eine vielschichtige Geschichte und wird mit zunehmender Dauer zu einem packenden Historienfilm.

Webseite: diekoeniginundderleibarzt.mfa-film.de

Dänemark 2011
Regie: Nikolaj Arcel
Buch: Rasmus Heisterberg, Nikolaj Arcel
Darsteller: Mads Mikkelsen, Alicia Vikander, Mikkel Boe Folsgaard, Trine Dyrholm, David Dencik
Länge: 128 Minuten
Verleih: MFA/ Filmagentinnen
Kinostart: 19. April 2012

PRESSESTIMMEN:

Unterhaltsames Historiendrama über einen deutschen Arzt, der einen halbpsychotischen dänischen König für die ideen der Aufklärung begeistert und ihm nebenbei die Königin ausspannt.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Für einige Zeit war ein deutscher Arzt im späten 18. Jahrhundert der inoffizielle Regent Dänemarks. Um diese erstaunliche Tatsache, die in Dänemark jedes Schulkind lernt, außerhalb des Landes aber kaum bekannt ist, strickt das schwelgerische Historienepos „Die Königin und der Leibarzt“ seine vielschichtige Geschichte. Ganz der Struktur klassischer Romane folgend, beginnt die Erzählung einige Jahre nach den verhängnisvollen Ereignissen, die die englische Prinzessin Caroline (Alicia Vikander) ins Exil brachten, wo sie nun auf ihr Leben zurückblickt und ihre Geschichte erzählt. Als 15jährige heiratete sie 1766 ihren Cousin Christian VII (Mikkel Boe Folsgaard), den König Dänemarks. Bald wurde ein Thronfolger geboren, danach bestand die Ehe wohl in erster Linie auf dem Papier, zumal Christian zumindest leicht wunderlich, wenn nicht gar geisteskrank war.

Bei einer Reise durch Europa traf der König in der damals zu Dänemark gehörenden deutschen Provinz Altona auf den Arzt Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen), der zunächst sein Leibarzt, später sein Freund und Berater wurde. Und mit Struensee halten die Gedanken der Aufklärung Einzug in den streng konservativen Palast. Zunehmend bringt Struensee den König dazu, die Rechte der Bürger zu vergrößern, Impfungen werden eingeführt, die Sanitäranlagen verbessert, die Meinungs- und Pressefreiheit eingeführt. Doch um all diese Errungenschaften zu finanzieren müssen die Bezüge der zahllosen Würdenträger, Adeliger und anderer Hof-Schmarotzer verringert werden. Was denen naturgemäß wenig passt. Und da Struensee nicht nur ein Mann der Aufklärung ist, sondern auch noch eine Affäre mit der vereinsamten Königin begonnen hat, haben seine Feinde viel Munition, um sich gegen Struensee zu rüsten.

Die Affäre zwischen der Königin und dem Leibarzt steht zwar im Mittelpunkt der Geschichte, viel interessanter wirken jedoch andere Aspekte. Was zum einen an Alicia Vikander liegt, der eher blassen Darstellerin der Königin, die in erster Linie hübsch, aber wenig mehr ist. Zum anderen an den vielfältigen aktuellen Bezügen, die die Autoren Rasmus Heisterberg und Nikolaj Arcel mit ihrer Geschichte andeuten. Vor allem die Schwierigkeit Reformen durchzuführen und dabei seinen eigenen Ansprüchen treu zu bleiben wird immer wieder thematisiert. Je weiter Struensee erst als Berater später als de Facto Regent die Gedanken der Aufklärung durchsetzt, desto mehr setzt er sich auch den Folgen einer freien Presse aus. Die zunehmende Kritik an Veränderungen, die mal nicht so schnell Früchte tragen, wie erhofft, mal auch unliebsame Konsequenzen tragen, bringt Struensee zunehmend in die Bredouille, bis die Gegner der Reformen schließlich siegen. Zumindest vorübergehend, denn der Samen der Aufklärung, den Struensee gepflanzt hatte, ließ sich nicht mehr verdrängen.

Trotz des historischen Themas ist dem jungen Regisseur Nikolaj Arcel ein sehr moderner Film gelungen. Arcel, der der dänischen Nach-Dogma Generation entstammt, die sich bewusst vom rigorosen Minimalismus abgrenzt, den die Dogma-Begründer zumindest teilweise inhaltlich wie formal befolgten, filmt das Dänemark des 18. Jahrhunderts wie eine Welt von heute. Die prunkvolle Ausstattung und Kostüme treten so in den Hintergrund, während die eigentliche Essenz der Geschichte, die Emotionen, die Intrigen, die Politik, in den Vordergrund gestellt werden. Vor allem das macht „Die Königin und der Leibarzt“ zu einem packenden Historiendrama.

Michael Meyns

Dänemark, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. König ist derzeit der junge Christian VII. Er ist offensichtlich erblich belastet, legt oft ein völlig unerwartetes, absonderliches Verhalten an den Tag. Regent ist er nur dem Namen nach, die Geschäfte führt der sehr traditionalistisch eingestellte Staatsrat.

Für Christian wird eine Braut ausgesucht. Es ist die noch unerfahrene Caroline Mathilde, von den Linien Hannover und Sachsen-Gotha stammend aber aus England kommend. Caroline Mathildes Empfang in Kopenhagen ist kühl und unpersönlich; eine reine Zweckheirat steht bevor. Nach 14 Monaten hat die Frau ihre Pflicht, den Thronfolger Friedrich zur Welt zu bringen, erfüllt.

Christian und Caroline Mathilde leben sich völlig auseinander. Der König, bereits halb geisteskrank, vertreibt sich die Zeit weit weg von seiner Frau, ist auch lange auf Reisen.

In der Hauptstadt geht eine Pockenepidemie um, die viele Opfer kostet. Der Armenarzt Struensee weiß Rat, setzt Impfungen durch, wird an den Königshof geholt. Er wird der Leibarzt des Königs sein, jedoch nicht nur das, auch sein Freund.

Struensee ist durch die Berührung mit der allgemeinen Armut zum Freidenker, zum Aufklärer, zum Revolutionär geworden. Aufgrund seiner engen Verbundenheit mit dem Herrscher setzt er – lange vor der französischen Revolution von 1789 – grundlegende soziale Reformen durch. Dänemark blüht auf.

Sein schwerster Fehler: Struensee wird zum Geliebten von Caroline Mathilde. Seine Gegner spüren das auf, setzen die Geschichte in Umlauf, nicht zuletzt anhand jener Pressefreiheit, die der Leibarzt durchgesetzt hatte. Die alten Konservativen gewinnen wieder die Oberhand, Struensee wird durch ihre Manipulationen verurteilt und hingerichtet, obwohl Christian in letzter Minute Gnade gewährte.

Caroline Mathilde bekommt – vermutlich von Struensee – noch eine Tochter, wird aber für immer verbannt.

Die präzise Schilderung einer Epoche, eines politischen Zustandes, eines Hoflebens, einer kalten adeligen Zweckgemeinschaft, des ärmlichen Lebens der breiten Bevölkerung, einer leidenschaftlichen verbotenen Liebe und schließlich die Schilderung von deren tragischem Ende – das alles enthält dieser sorgfältig gestaltete Film, ein episches und formal üppiges Stück dänische Geschichte.

Der Berlinale-Wettbewerbsfilm wurde zu Recht ausgezeichnet: bester männlicher Schauspieler Mikkel Folsgaard (Christian VII.) sowie bestes Drehbuch (Rasmus Heisterberg und Nikolaj Arcel). Man taucht gerne zweieinviertel Stunden ein in die damalige Zeit und in das Schicksal jener Menschen.

Thomas Engel