Die Kommune

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Wenn der einstige „Dogma“-Aktivist Thomas Vinterberg („Das Fest“) einen Blick auf das chaotische WG-Leben im Kopenhagen den 70-er Jahren wirft, fällt das Ergebnis etwas rigoroser aus als üblich. Geschwätziges Polit-Palaver, großspurige Kiffer-Gemütlichkeit oder obligatorische Orgien sind in dieser Kommune ersatzlos gestrichen. Der findige Däne reduziert sein autobiografisches Drama auf ein vergnügliches Figurenkabinett, um zu zeigen, wie sich das Individuum in der Gruppe verhält. Die existenziellen Themen um Liebe, Lügen und Verlust werden souverän in situationskomischem Zuckerguss verpackt. Das spielfreudige Ensemble überzeugt, allen voran Trine Dyrholm, deren starke Leistung auf der Berlinale mit einem Bären prämiert wurde.

Webseite: www.kommune-derfilm.de

Dänemark 2016
Regie: Thomas Vinterberg
Darsteller: Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Fares Fares, Lars Ranthe
Filmlänge: 111 Minuten
Verleih: Prokino, Vertrieb: 24 Bilder Filmagentur
Kinostart: 21. April 2016
 

Preise/Auszeichnungen / Pressestimmen:

Silberner Bär als Beste Darstellerin für Trine Dyrholm  - Berlinale 2016

„Für Trine Dyrholm eine der großen Rollen ihres Lebens“
FAZ

"...wie Dyrholm diese Anna spielt! Mit vollem Körper- und Gefühlseinsatz. Selten kann man sich als Zuschauer derart mit einer Figur freuen – mit ihr zweifeln und mit ihr leiden.“
TAZ

„Eine großartige Abhandlung über die Unvereinbarkeit von Utopien und Gefühlen.“
3 SAT KULTURZEIT

„Eine vibrierende Momentaufnahme der Siebziger.“
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
 
„Mit großartigem Ensemble und einem ausgeprägten Sinn für Zeitlosigkeit“
TAGESSPIEGEL
 
 „Meisterlich überzeugend in den kleinen Momenten und zwischenmenschlichen Gesten“
NDR KULTURJOURNAL
 
„Trine Dyrholm spielt eine der Rollen ihres Lebens.“
FAZ

FILMKRITIK:

„Ich will ankommen!“, sagt Familienvater Erik (Ulrich Thomsen) stolz. Der erfolgreiche Architektur-Dozent hat sich gerade spontan entschieden, die frisch geerbte Villa nicht zu verkaufen, sondern zu einer Kommune umzufunktionieren. Eigentlich tauscht er das traute Familienleben gegen die alternative Lebensform nur aufgrund des sanften Drucks seiner Lebensgefährtin Anna (Trine Dyrholm), einer prominente TV-Moderatorin. Ihre gemeinsame Tochter Freja ist von den WG-Aussichten gleichermaßen begeistert und schließlich locken zudem zusätzliche Mieteinkünfte. Immer mehr alte Freunde sowie neue Bekannte ziehen als Aussteiger in das gutbürgerliche Haus. Wer beim Vorstellungsgespräch das Kollektiv nicht restlos überzeugen kann, setzt auf die Mitleidskarte und ertrotzt sich sein WG-Zimmer elegant mit einem gut gespielten Heulanfall.
 
Trotz kleinerer Scharmützel im Alltag und fehlendem Geld in der Bierkasse, entwickelt sich das Leben in der Gemeinschaft recht gesellig. Dann allerdings passiert dem erfolgreichen Dozenten Erik am Arbeitsplatz ein kleines Missgeschick, das weitreichende Konsequenzen nach sich zieht: Aus der kleinen Affäre mit einer jungen Studentin entwickelt sich die ganz große Liebe. Die gehörnte Partnerin des Architekten gibt sich verständnisvoll und lässt die Rivalin gar als neue Mitbewohnerin in der Villa Kunterbunt gewähren – die Harmonie ist freilich trügerisch, die achso liberale Fassade blättert schneller als gedacht und alsbald fliegen die Fetzen unter den zunehmend gereizten Beteiligten.
 
Wie einst in „Das Fest“ seziert Vinterberg mit sichtlichem Vergnügen und großer Stimmigkeit die emotionalen Höhen und Tiefen des Familienlebens und das Chaos aus Lügen und Liebe – dass er einst selbst seine Kindheit in einer Kommune verbrachte und, wie der Held im Film, seine Gattin für eine jüngere Frau verlassen hat, sorgt für zusätzliche Authentizität. Aus dem dramaturgischen Füllhorn der höchst unterschiedlichen Figuren hätte man sicher mehr vergnügliche Konflikte herausholen können, doch auch in der Beschränkung auf die Dreier-Kiste funktioniert diese Dramödie durchaus kurzweilig. Das liegt zum einen an den flotten, gut geschliffenen Dialogen. Vor allem aber an dem exzellenten Ensemble, das die psychologisch gut durchdachten und entwickelten Protagonisten mit glaubwürdiger Empathie auf die Leinwand bringt. Ulrich Thomsen („Zweite Chance“) überzeugt mühelos als schwer verliebter Familienvater mit sichtlich schlechtem Gewissen. Derweil Trine Dyrholm als tief verletzte und verunsicherte Partnerin eine wahre Tour-de-Force liefert, für die sie auf der Berlinale als ganz große Favoritin für den Schauspiel-Bären galt und auch die Jury unter Meryl Streep überzeugte.
 
Wie immer bei „Dogma“-Mitbegründer Vinterberg gilt: Dänen lügen nicht! Auf sein nächstes Werk darf man bereits gespannt sein: Er verspricht eine rigorose Hymne auf den Alkohol.

Dieter Oßwald