„Love will tear us apart“ erklingt am Ende – in einer von der Regisseurin selbst gesungenen Version! – und damit wird final auf den Punkt gebracht, wovon Lynne Ramsay zuvor 118 exzessive Minuten erzählt hat: Um das Ende einer Liebe geht es in „Die My Love“, was jedoch nicht als klassisches Beziehungsdrama erzählt wird, sondern als impressionistischer Rausch, der oft anstrengt, aber immer wieder auch mitreißt.
Über den Film
Originaltitel
Die my Love
Deutscher Titel
Die my Love
Produktionsland
CAN
Filmdauer
118 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Ramsay, Lynne
Verleih
MUBI Deutschland GmbH
Starttermin
13.11.2025
Ein abgelegenes, mehr als baufälliges Haus irgendwo im Herzen Amerikas soll das neue zu Hause werden: Grace (Jennifer Lawrence) und Jackson (Robert Pattinson) sind freilebende, frei denkende Künstlernaturen, sie schreibt, er macht Musik, die der Großstadt und ihren Versuchungen entkommen wollen. Die Zivilisation wirkt sehr fern, allein Jacksons alternde Mutter Pam (Sissy Spacek) lebt nicht allzu weit weg.
Anfangs wirkt die selbstgewählte Einsamkeit auch mehr als stimulierend auf das Paar, der Alkohol fließt in Strömen, der Sex ist wild und bald wird ein Kind geboren. Und damit beginnen die Probleme, langsam, aber unaufhaltbar. Immer irritierter wirkt Grace, immer weniger bereit, sich in die von der Gesellschaft vorgegebene Rolle der sorgenden Mutter zu fügen, während Jackson immer häufiger der Arbeit (aber auch der Affären) wegen verschwunden ist und die Einsamkeit Grace zusätzlich belastet.
Acht Jahre ist es her, dass die schottische Regisseurin Lynne Ramsay zuletzt einen Film drehen konnte, den düsteren Thriller „You Were Never Really Here“, in dem Joaquin Phoenix so gut war wie selten und sich ganz der Vision Ramsays hingab. Ähnliches lässt sich nun über Jennifer Lawrence sagen, um die es in den letzten Jahren ein wenig ruhiger wurde, die sich nun aber mit einer fulminanten Darstellung zurückmeldet, die ebenso exzessiv wirkt, wie der Film.
Den baut Ramsay wie immer nicht linear, sondern impressionistisch auf, sie erzählt stringent, sondern elliptisch, springt zwischen Szenen, die in der Zukunft liegen und der Gegenwart hin und her, deutet in sporadischen Rückblenden die Anfänge der Beziehung zwischen Grace und Jackson an, vor allem aber zum Leben ihrer Schwiegermutter Pam und dessen inzwischen verstorbenen Mann Harry (Nick Nolte).
„Im ersten Jahr drehen wir alle ein bisschen durch“ sagt Pam einmal zu ihrer Schwiegertochter, wobei nicht ganz klar ist, ob sie vom ersten Jahr der Ehe oder vom ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes spricht – oder Beidem. Die Geschichte wiederholt sich jedenfalls, die Muster einer Beziehung ändern sich nur schwer. Während Pam offenbar Probleme mit Harry hatte, aber dennoch bis zu dessen Tod mit ihm zusammenblieb (und noch Monate später seine Hemden bügelt), kann sich Grace nur schwer dazu durchringen, den Konventionen zu entsprechen, sich in ihre Rolle als Mutter und Hausfrau zu fügen.
Hätte ein Mann diesen Film gedreht, würde man ihm wohl vorhalten, sich am zunehmend labilen Zustand einer langsam in eine Psychose abdriftenden Frau zu laben und ihr Leid auszustellen. Als Blick einer Frau auf eine andere Frau wirkt „Die My Love“ jedoch bei allem Exzess wie ein sensibler, zunehmend tragischer Blick auf eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, die sich mit allem was sie hat, den von Männern gemachten Konventionen widersetzt. Dass es am Ende Lynne Ramsay selbst ist, die eine wunderbar sanfte Version des legendären Joy Divison Songs „Love will tear us apart“ singt, bringt die Intentionen dieses oft anstrengenden, aber ebenso mitreißenden Films schließlich auf den Punkt.
Michael Meyns