In Tobias Schönenbergs Mix aus Satire, Kammerspiel, Drama und Lokal-Krimi arbeitet sich die Polizei durch unzählige Verhörsituationen. Der Grund: Schlachtabfälle wurden im Garten des örtlichen Schlachthof-Betreibers abgeladen. Was folgt ist ein aberwitziges Schaulaufen von Dorfbewohnern und Tierwohl-Aktivisten, die alle ihre eigene Meinung zum Thema Fleischverzehr und -wirtschaft haben. Und diese in bisweilen erschöpfenden Monologen kundtun. Dennoch: „Die Q ist ein Tier“ ist vergnüglich, geistreich und in seiner Reduktion sowie inszenatorischen Schlichtheit erstaunlich.
Deutschland 2023
Regie: Tobias Schönenberg
Buch: Hilal Sezgin
Darsteller: Anna Pfingsten, Reiki von Carlowitz, Zodwa Selele, Martin König, Vincent Bermel
Länge: 81 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 16. Mai 2024
FILMKRITIK:
„Die Q ist ein Tier“ erzählt die Geschichte einer kleinen Dorfgemeinde, in die eines Tages Unruhe einkehrt. Denn plötzlich tauchen Schlachtabfälle im Vorgarten des Betreibers des Schlachthofs, Werner Haas, auf. Eine nächtliche Aktion verwirrter Krimineller oder die Tat wütender Tierschützer? Empört erstattet Haas Anzeige gegen Unbekannt, was eine Untersuchung der Polizei auslöst. Und während die Polizei ihre Ermittlungen durchführt, stößt eine engagierte Volontärin der lokalen Zeitung auf verdächtige Vorgänge im Zusammenhang mit der Vergrößerung des Schlachthofbetriebs.
Mit Charme und augenzwinkerndem Humor erzählt Regisseur Tobias Schönenberg in „Die Q ist ein Tier“ vom Dauerstreitthema Fleischkonsum. Inklusive der unterschiedlichen Sichtweisen auf dieses komplexe Sujet, das ethische Fragen ebenso einschließt wie die Aspekte Tierwohl, „humanes“ Schlachten, Fleischverzicht, Vegetarismus und die Fleischindustrie in ihrer Gesamtheit. Es sind also heiße Eisen, die Schönenberg aufs Tableau bringt.
Er entscheidet sich dafür, all diese Inhalte und Fragestellungen nicht nur satirisch-überspitzt, sondern auch dialogreich und wortgewandt abzuarbeiten. Die Krimi-Handlung um den Vorfall mit den Schlachtabfällen dient nur als Vorwand, um ein Kammerspiel-artiges Ensemblestück in Gang zu setzen, welches fast ausschließlich aus Befragungs- und Interviewszenen besteht. Zuerst befragen die beiden (etwas abgestumpften) Polizeibeamten die Dorfbewohner zu den jüngsten Ereignissen. Schon hier zeigen sich die verschiedenen Ansichten und Meinungen in Form süffisanter, teils herrlich überzogener und verschmitzter Bemerkungen sowie Kommentare.
Zu Wort kommen passionierte Fleischesser ebenso wie Vegetarier und Veganer, die dem Schlachthof kritisch gegenüberstehen. Dann wechselt die Szenerie in den Schlachtbetrieb, in dem die Beamten den Mitarbeitern (den Stechern, Treibern, Zerteilern und Putzkräften) Fragen stellen. Und schließlich verlagert sich die Handlung zum dritten Kernschauplatz: ins Polizeirevier. Hier kommen Tierrechtler, Tierschützer und Aktivisten zu Wort. Schönenberg bietet damit allen Parteien und Seiten eine Plattform, ohne sich selbst eindeutig zu positionieren. Erwähnenswert ist, dass der Film nur wenige Szenen benötigt, um einigen der Nebenfiguren eine erstaunliche Tiefe zu verleihen – obwohl deren Aufritte meist nicht länger als wenige Minuten dauern. Und es sind wahrlich viele Nebenfiguren, die Schönenberg auffährt.
Der Dialogreichtum und die immensen Wortbeiträge, die in teils hohem Tempo auf den Zuschauer einprasseln, erfordern vom Betrachter aber auch Konzentration und die Bereitschaft ein, sich voll und ganz auf diese thematische Fülle und argumentatorische Bandbreite einzulassen. Leichte Ermüdungserscheinungen sind nach spätestens einer Stunde Dauerverhör außerdem nicht ausgeschlossen.
Am Ende kommen vor allem die Lokalpolitiker und, zurecht, die bleierne, lähmende Bürokratie schlecht weg. Ob Veterinäramt, Gemeinderat, Lebensmittelüberwachung, Gutachter oder Gewerbeaufsicht: Fast alle Stellen und Ämter erweisen sich als fehleranfällig, überlastet, überfordert oder käuflich.
Björn Schneider