Die Rumba-Therapie

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Trotz des Titels ist diese liebenswerte französische Komödie kein Tanzfilm, sondern vor allem in der zweiten Hälfte eher eine Vater-Tochter-Geschichte: Der Schulbusfahrer Tony blickt auf sein verkorkstes Leben zurück und nimmt sich vor, Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen. Sie ist Tanzlehrerin, und er wird ihr Schüler. Eine hübsche Vorlage für eine unbeschwerte, heitere Story – ein Mann, der über das Tanzen seine verlorene Tochter wiederfindet und damit seinem Leben einen neuen Sinn gibt. Doch ganz so einfach macht es sich Franck Dubosc dann doch nicht. Ein Film für Tanzfans ebenso wie für eingefleischte Nicht-Tänzer (und natürlich auch für Nicht-Tänzerinnen!). Und vor allem sehr unterhaltsam.

Rumba la vie
Frankreich 2022
Drehbuch und Regie: Franck Dubosc
Darsteller: Franck Dubosc, Louna Espinosa, Marie-Philomène Nga, Jean-Pierre Darroussin, Michel Houellebecq
Komponisten: Matteo Locasciulli, Sylvain Goldberg
Kamera: Ludovic Colbeau-Justin

Länge: 103 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 22. Juni 2023

FILMKRITIK:

Der Schulbusfahrer Tony (Franck Dubosc) ist alles andere als zufrieden und schon gar nicht liebenswert. Der alternde Schönling und Liebling der Damenwelt ist inzwischen ein Einzelgänger, der in Cowboystiefeln und Blue Jeans aussieht, als sei er einem alten Clint-Eastwood-Film entsprungen. Der überzeugte Kettenraucher lebt allein in einer französischen Provinzstadt und verbringt seine Freizeit mit alten Hollywoodfilmen vor dem Fernseher. Doch eines Tages ist Schluss mit lustig. Tony bricht nach der Arbeit zusammen und wird gerade noch rechtzeitig von einem Kollegen gefunden. Der Herzinfarkt bringt ihn ein wenig zur Besinnung, auch wenn er nicht mit dem Rauchen aufhört – so schlecht geht es ihm dann doch nicht. Aber Tony nimmt immerhin wieder Kontakt zu seiner Ex-Frau Carmen (Karina Marimon) auf, die er mitsamt der kleinen gemeinsamen Tochter vor mehr als 20 Jahren sitzen ließ. Carmen ist inzwischen schon lange mit einem anderen Mann glücklich, der sie auf Händen trägt. Sozusagen das genaue Gegenteil von Tony. Die gemeinsame Tochter Maria (Louna Espinosa) arbeitet als Tanzlehrerin in Paris. In Tony reift der Plan, sie unauffällig und inkognito kennenzulernen, indem er bei seiner eigenen Tochter Tanzunterricht nimmt. Doch das ist eigentlich eine typische Tony-Ausrede: Er ist einfach zu feige, um sich bei Maria als ihr Vater vorzustellen. Maria ist offenbar der absolute Superstar in der Tanzschule, und schon für die Aufnahme in ihrem gefragten Rumbakurs sind Grundkenntnisse erforderlich. Tony braucht also erstmal Tanzunterricht, damit er zur Tanzschule gehen kann. In seiner Not fragt er seine Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga), ob sie ihm helfen kann. Als Afrikanerin müsste sie doch eigentlich den Rhythmus im Blut haben! Was Tony nicht weiß: Fanny hat genauso wenig Ahnung vom Tanzen wie Tony ...

Franck Dubosc hat hier nach „Liebe bringt alles ins Rollen“ (2018) auch wieder das Drehbuch selbst geschrieben und für diese zweite Regiearbeit einen hübschen, unterhaltsamen Plot gefunden, der vielleicht nicht ganz neu, aber dafür umso wirkungsvoller ist: Ein alternder Mann will sich und sein Leben ändern, bevor es zu spät ist und die letzte Klappe fällt. Seine Träume von einem besseren Leben richteten sich bisher auf die USA, seine Wohnung sieht aus wie ein Altar der verschütteten Träume. Doch nun wird alles anders. Er macht das Tanzen zu seinem Hobby, zum Symbol für die Annäherung an seine verlorene Tochter und damit zum Schlüssel zu einer gemeinsamen, schöneren Zukunft. Aber nichts scheint so recht zu klappen, das Tanzen erweist sich als schwierig, die Füße wollen nie so, wie sie sollen, und überall stellen sich ihm neue Hindernisse in den Weg. Dieser Kampf eines prinzipiell an sich selbst gescheiterten Mannes ist sehr komisch – manchmal erinnert Franck Dubosc in seiner miesepetrigen Art und mit seinem unbewegten Gesicht sogar an den jüngeren Bill Murray. Dubosc spielt ihn zunächst als Negativbeispiel eines introvertierten und vereinsamten Proleten, der abends beim Fernsehen gleichzeitig isst, raucht und Bier trinkt. Tony ist der Feigling, der nie was auf die Reihe bekommen hat, aber das darf niemand wissen. Dafür wird dann gern mal geschwindelt. Doch in dem Schulbusfahrer Tony verbergen sich ungeahnte Talente: Er ist lernfähig und wird immer mutiger. Und das macht ihn sehr sympathisch.

Franck Dubosc, in Frankreich ein bekannter Comedian und Schauspieler, stellt sich hier nicht in den Mittelpunkt, sondern er hat für seine liebenswürdige Komödie eine ganze Reihe witziger Nebenfiguren erdacht, mit denen er die Handlung belebt und vorantreibt. Da ist zum Beispiel Michel Houellebecq als Tonys Arzt. Der Autor von zahlreichen provokativen Romanen ist in seiner kleinen Rolle als zynischer Herzchirurg absolut großartig – Houellebecq scheint ein hammerhartes Komödientalent zu sein, ebenso Marie-Philomène Nga als Nachbarin Fanny, die alle Hände voll zu tun hat, um Tony von seinen Vorurteilen zu befreien, was ihr mit viel klugem Pragmatismus sogar gelingt. In allem wird die Absicht von Franck Debosc deutlich, eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen, die auf billige Klischees weitestmöglich verzichtet. Mit vielen unerwarteten Wendungen wechselt er mehrmals die Richtung, was nicht nur Spaß macht, sondern auch von dramaturgischer Intelligenz zeugt. Vor allem im ersten Teil dominiert die Leichtigkeit einer Komödie. Da geht es vorrangig um einen Mann, der plötzlich und unerwartet auf Hilfe von anderen angewiesen ist, weil er einen neuen Lebensinhalt gefunden hat: seine Tochter. Auch wenn später der komödiantische Schwung etwas nachlässt und ein bisschen Vater-Tochter-Pathos Einkehr hält, bleibt doch ein sehr positiver Gesamteindruck: eine gagreiche Komödie, hübsch und intelligent erzählt über einen Mann, der versucht, im Wiegeschritt ein guter Mensch zu werden.

Gaby Sikorski