Kaum ein Regisseur ist auf Filmfestivals so präsent wie Hong Sangsoo und gleichzeitig in den deutschen Kinos so wenig sichtbar. Erst eine handvoll der inzwischen fast 30 Spielfilmen des Südkoreaners fand einen Verleih, nun kommt mit „Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall“ wieder einer der sehr typischen, unverwechselbaren, in extremem Maße um sich selbst kreisenden Filme Hongs in die deutschen Kinos.
Webseite: https://grandfilm.de/die-schriftstellerin-ihr-film-und-ein-gluecklicher-zufall/
So-seol-ga-ui yeong-hwa
Südkorea 2022
Regie & Buch: Hong Sangsoo
Darsteller: Lee Hyeyoung, Kim Minhee, Seo Younghwa, Park Miso, Kwon Haehyo, Ki Joobong
Länge: 93 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 10. November 2022
FILMKRITIK:
Die Geschichte – wenn man es so nennen will – ist schnell erzählt: Die berühmte Schriftstellerin Junhee (Lee Hyeyoung) hat seit Jahren keinen neuen Roman veröffentlicht. In einem abgelegenen Buchladen trifft sie ihre ehemalige Kollegin Sewon (Seo Younghwa), die das Metier gewechselt hat und nun keine Bücher mehr schreibt sondern sie verkauft. Etwas später begegnet Junhee dem Regisseur Hyojin (Kwon Haehyo), der einst einen ihrer Romane verfilmen wollte, aber dann lieber kommerziellere Filme drehte. Diese Begegnung führt zu einer dritten, mit der Schauspielerin Kilsoo (Kim Minhee), die seit Jahren kaum noch dreht.
Zwischen den Figuren entwickeln sich lange Gespräche, die in mäandernden Schleifen um das Leben und die Kunst kreisen, um Talent und die mögliche Pflicht, es zu nutzen, um verletzte Eitelkeiten, Affären und die Lust, neues auszuprobieren. Dazu wird viel geraucht, Kaffee und am Ende Schnaps getrunken.
An Hong Sangsoo scheiden sich die Geister, zumindest die Geister der Filmkritiker und Festivalbesucher, die in den letzten Jahren in Cannes und Berlin, Venedig und Locarno mit großer Regelmäßigkeit Filme des südkoreanischen Regisseurs sehen konnten, die sich im Lauf der Jahre und Festivals kaum unterscheiden ließen und sich in gewisser Weise zu einem großen, miteinander verschmolzenem Hong-Film formten.
Während die einen das Kino Hongs mit all seinen Wiederholungen und Selbstzitaten lieben, sich daran erfreuen, dass die immer gleichen Schauspieler immer wieder in ähnlichen Rollen zu sehen sind, über ähnliche Themen reden und dabei zahllose Gläser des beliebten lokalen Schnapses Soju trinken, sind andere genau von dieser Art der Wiederholung gelangweilt.
Die Qualitäten von „Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall“ zu würdigen, ohne frühere Hong Filme, seine spezielle Art, aber auch das außerfilmische zu berücksichtigen fällt nicht leicht. Wichtig zu wissen erscheint etwa, dass Hong vor Jahren eine Affäre mit Kim Minhee, einer seiner Stammschauspielerinnen begann, die auch hier eine der Hauptrollen spielt, ausgerechnet als Schauspielerin. Im wirklichen Leben wurden Hong, aber besonders Kim für ihre Affäre angegriffen, war es für Kin eine Zeitlang schwierig, Rollen zu finden. Im Film spielt sie nun eine Schauspielerin, die freiwillig darauf verzichtet, Rollen anzunehmen. Wobei: Ist es wirklich freiwillig? So genau erfährt man es nicht, denn vieles in diesem, wie in allen Hong-Filmen bleibt im Unklaren.
Denn Hong ist ein Meister im Zeigen des Alltäglichen. Dramatisches, aufregendes passiert in seinen Filmen so gut wie nie. Der Fokus liegt konsequent auf Menschen, ihren Emotionen, ihrem mit-, aber auch dem gegeneinander. Konversationskino könnte man das nennen, von einer Unterhaltung zur nächsten springend, Themen anreißend, aber ohne auf einen allzu forcierten Punkt, eine Pointe, eine deutliche Erkenntnis zulaufend. Hongs Filme haben in diesem Sinne keine Absicht, sie wollen keine Moral vermitteln, keine Missstände aufzeigen, nicht den Finger in eine Wunde legen. Vielmehr zeigen sie die Banalität der menschlichen Existenz. Aber gibt es etwas aufregenderes und komplexeres, als das Zwischenmenschliche?
Michael Meyns