Die Stimme des Regenwaldes

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Fast eine Art moderner Wilhelm Tell ist Bruno Manser, ein Aussteiger, der in den 80er Jahren nach Borneo reiste, beim Eingeborenenstamm der Penan heimisch wurde und ihnen half, gegen die Abholzung des Regenwaldes zu kämpfen. In „Die Stimme des Regenwaldes“ erzählt Niklaus Hilber diese Geschichte nach; zwangsläufig, aber auch bedauerlicherweise als White Saviour-Narrativ.

Website: www.camino-film.com/filme/stimmedesregenwaldes

Schweiz 2019
Regie: Niklaus Hilber
Buch: Niklaus Hilber, Patrick Tönz, David Clemens
Darsteller: Sven Schelker, Nick Kelesau, Elizabeth Ballang, Matthew Crowley, David Kse
Länge: 141 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: direkt ab Neustart der Kinos im Frühjahr 2021

FILMKRITIK:

Er war auf der Suche nach Authentizität, nach einem Leben, das nicht von Bedürfnissen der kapitalistischen Konsumkultur geprägt war, sondern vom Sein in und mit der Natur: Der Schweizer Bruno Manser (Sven Schelker), der einen ganz gewöhnlichen Lebenslauf hatte, Abitur machte, diverse Berufe ausprobierte, als Schafhirte und Schreiner arbeitete, bis er mit Ende 20 genug hatte. 1984 reiste er nach Asien und fand auf Borneo, eine der größten Inseln Malaysias, sein Paradies. Dort leben die Penans, ein Eingeborenenstamm, der fast abgeschnitten von der Zivilisation auf eine Weise überlebt, die sich im Lauf der Jahrhunderte wohl kaum verändert hatte.
Schnell wurde Manser in die Stammeskultur aufgenommen, lernte mit einem Speer jagen und trug nur noch einen Lendenschurz, doch das Paradies war nicht von Dauer. Zu verlockend waren die Hölzer des Regenwaldes, zu viel Profit versprach die Rodung, der nur die Stämme der Penan im Wege standen.

Manser wurde zum Gesicht des Widerstandes, wurde von den Medien, die bald auf den Konflikt aufmerksam wurden, als „weißer Penan“ bezeichnet und auch von „seinem“ Stamm als Laki-Penan, als Penan-Mann bezeichnet. Nach Jahren des Kampfes vor Ort, als längst ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war, floh Manser 1990 aus dem Land und gründete in der Schweiz eine Hilfsorganisation, die sich dem Kampf um die Rettung des Regenwaldes und damit dem Lebensraum der Penan widmete. Immer wieder kehrte Manser in den folgenden Jahren nach Malaysia zurück, zum letzten Mal 2000, obwohl er mit einem Einreiseverbot belegt war. Diese Reise sollte seine letzte sein: Manser verschwand spurlos, seine Leiche wurde nie gefunden.

Etliche Bücher sind in der Schweiz seitdem über Bruno Manser erschienen, zahlreiche Dokumentationen haben sein Leben und Wirken beschrieben. Nun also ein epischer Spielfilm, mit einem Budget von sechs Millionen Franken einer der teuersten Filme des Landes und mit 200.000 Zuschauer auch ein Erfolg, allerdings ein zwiespältiger.

Mansers Ziel sei es „denen eine Stimme geben, die keine haben“ heißt es an einer Stelle, ein Ziel, das Bruno Manser fraglos erreicht hat. Ohne seinen Einsatz hätten sich die Penan wohl nicht zusammengeschlossen, hätten ihre Stammesfehden nicht begraben, um gemeinsam gegen die Rodung ihres Lebensraums zu kämpfen. Nur mit geringem Erfolg zwar, aber immerhin.

Die filmische Darstellung von Mansers Leben gibt nun weniger den Penans und ihrem Anliegen eine Stimme, als dem Außenseiter Bruno Manser. Er ist es, der mit Vertretern der Regierung verhandelt, der gejagt wird, sein Schicksal steht im Zentrum des Films, ihm dankt sein Ersatzvater, der Stammeshäuptling Am Ende mit den Worten: „Ohne Dich hätten wir unsere Art zu Leben, nicht zu schätzen gewusst.“ Das mag im Ansatz sogar stimmen, doch ob man solch eine eine White Saviour-Figur heutzutage derart ungebrochen und ohne Ironie auf die Leinwand bringen sollte ist die Frage.

Ganz gewiss ist „Die Stimme des Regenwaldes“ mit den besten Absichten entstanden, als Versuch, nicht nur das Leben Bruno Mansers nachzuzeichnen, sondern auch das Schicksal der Penans. Im Ergebnis wirkt Niklaus Hilbers Film jenseits der eindrucksvollen Bilder des Dschungels jedoch ein wenig zu unüberlegt und unreflektiert im Umgang mit seiner Hauptfigur, um dem Vorwurf zu entgehen, eine neuerliche Verklärung des weißen Mannes zu sein.

Michael Meyns