Die vierte Macht

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Sein Interesse an reißerischen, kontroversen Themen hat Dennis Gansel schon in Filmen wie „Das Phantom“ oder „Napola“ bewiesen. In „Die vierte Macht“ schickt er Moritz Bleibtreu als Boulevardjournalisten nach Moskau, wo dieser einer Verschwörung auf die Spur kommt, die tief in die russische Politik reinreicht. Stilistisch ist das überzeugend gemacht, inhaltlich, trotz realistischer Ansätze, oft eine fragwürdige Kolportage.

Webseite: www.dieviertemacht-film.de

Deutschland 2011
Regie, Buch: Dennis Gansel
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Kasia Smutniak, Max Riemelt, Rade Serbedzija, Stipe Erceg, Mark Invir
Länge: 115 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 8. März 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Verschwörungstheorien sind gerade deswegen so verführerisch, weil sie im Rahmen der nachweisbaren Fakten möglich erscheinen. Geschickte Autoren sind dann in der Lage, so ziemlich alles glaubwürdig und nachvollziehbar wirken zu lassen: Hitler starb gar nicht im Führerbunker, die Mondlandung hat nie stattgefunden, der elfte September wurde von der Bush-Regierung inszeniert. Absurde Verschwörungstheorien wie diese machen es Kritikern leicht, jedes Infragestellen der offiziellen Wahrheit als ebensolche Absurdität abzutun. Es ist also ein schmaler Grad zwischen kritischem Umgang mit scheinbar eindeutigen Ereignissen und einem Abdriften in obskure Theorien.

In „Die vierte Macht“ nimmt sich Dennis Gansel einer oft verheimlichten, aber fraglos existenten Methode der Politik und der Geheimdienste an: Inszenierte Bombenanschläge, die eine Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzen und Repressionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Staatsfeinde rechtfertigen sollen. Seit etliche Anschläge auf Wohnhäuser in Russland Ende der 90er Jahre den Weg in den Tschetschenienkrieg ebneten, kursieren Gerüchte, dass diese Anschläge vom russischen Geheimdienst, der damals vom späteren Machthaber Wladimir Putin geführt wurde, inszeniert waren. In dieses Wespennest stürzt sich Gansel mit Verve und wenig Subtilität hinein, so dass bald alle interessanten Ansätze unter einer Kolportagestory verschwinden, die einem Groschenroman würdig wäre.

Hauptfigur ist der von Moritz Bleibtreu gespielte Berliner Boulevardjournalist Paul Jensen. In Moskau soll er die Klatschseite des fiktiven Magazins „Moscow Match“ auf Vordermann bringen. Die Bekanntschaft mit der schönen Russin Katja bringt ihn dazu, die Ermordung eines kritischen Journalisten in einer kleinen Notiz zu erwähnen. Und damit beginnt sein Weg in die Fänge der Korruption, die ihn schließlich in ein finsteres russisches Gefängnis führen. In einer Massenzelle trifft er auf einen tschetschenischen Freiheitskämpfer/ Terroristen (je nach Sichtweise), der zufälligerweise seinen verstorbenen Vater kannte. Dieser war einst ein vehementer Kämpfer für die sozialistische Sache, zudem der kritische politische Journalist, der Paul schon lange nicht mehr ist. Doch die augenscheinliche Ungerechtigkeit seiner Situationen schürt Pauls Jagdinstinkt. Und so macht er sich auf die Suche nach der brisanten Story, an der sein Vater bis zu seinem Tod recherchierte, und enthüllt eine Verschwörung, die bis an die Spitze der russischen Politik reicht.

Wie gesagt, ganz von der Hand zu weisen sind diese Theorien nicht, und das mit Wladimir Putin ein Machthaber an der Spitze des russischen Staates steht, der vorsichtig ausgedrückt nicht unproblematisch ist, steht auch außer Frage. Doch die Art und Weise, wie Dennis Gansel mit diesem heißen Thema umgeht, ist allzu oft derart plakativ, dass man nur noch von einer Kolportage sprechen kann. Das liegt nicht zuletzt an der auf Klischees reduzierten Zeichnung der russischen Gesellschaft: Hier sind alle Frauen schön, leicht bekleidet und willig, ständig wird ausgelassen getanzt und gefeiert, Wodka ist das Hauptnahrungsmittel, die Gefängnisse werden von sadistischen, folternden Wärtern geleitet, unter den Insassen regiert das Recht des Stärkeren und Geheimdienstagenten sehen schon von weitem wie Geheimdienstagenten aus billigen Filmen aus.

Die Schwächen der Geschichte sind umso bedauerlicher, als Gansel einmal mehr beweist, dass er ein stilistisch versierter Regisseur ist. Größtenteils in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gedreht, überzeugt „Die vierte Macht“ mit rohen Breitwandbildern und einigen überzeugenden Actionszenen. So gut die Bilder sind, so schlecht ist allerdings der Ton: Da komplett auf Englisch gedreht wurde, ist der Film mit teilweise erschreckend schlechter Qualität nachsynchronisiert. Eine verwunderliche technische Schwäche, die wohl dem Schielen auf den internationalen Markt geschuldet ist.

Michael Meyns

Russland im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Paul Jensen hat bis jetzt immer für Berliner Klatschblätter geschrieben, doch jetzt zieht es ihn nach Moskau, denn dort will er die Publikation eines seiner Mentoren auf den neuesten Stand bringen. Er hat Erfolg damit. Das Blatt wird lebendiger, die Auflage scheint zu steigen.

Das ändert sich allerdings, als er Katja kennenlernt und sofort von ihr hingerissen ist. Diese ist nicht nur schön, sondern auch politisch tätig, und das ist in Moskau bekanntermaßen keine einfache Sache. Sie unterstützt nämlich den Widerstand der Tschetschenen gegen die Russen.

Zuerst sieht es so aus, als sei sie bei einem tschetschenischen Bombenattentat ums Leben gekommen. Und da die Behörden wissen, dass Paul ihr Freund war, wird er ohne weitere Umschweife ins Gefängnis geworfen. Dort verlebt er eine furchtbare Zeit. Russische Gefängnisse sind zur Genüge bekannt.

Paul scheint schließlich freizukommen – doch das ist letzten Endes ein Trugschluss. Denn er wird weiter verfolgt, trifft wieder auf Katja, die gar nicht tot ist, muss fliehen, erkennt, wie viel Falschheit, Bedrohung und Verrat hinter gewissen politischen Machenschaften in Moskau herrschen, wird, nachdem er endlich wieder nach Berlin zurückkehren kann, seine Geliebte vielleicht für immer verlieren.

Das alles ist einer gewissen Realität und dem Hörensagen nachempfunden. Das Konstrukt ist aber von der Drehbuchanlage und von der Inszenierung her gut gemacht: einigermaßen plausibel, stimmig, spannend (von einigen Milieuschilderungen in den Gefängnisszenen vielleicht abgesehen). Die Geheimpolizei, die Spitzel, die Folterungen, die politisch begründete Angst, die Doppelbödigkeit des Verhaltens gewisser Menschen und der oft dahinter steckende Verrat – da scheint schon viel Wahres dran zu sein (übrigens nicht nur in Russland).

Gespielt wird allenthalben sehr gut, nicht nur von Moritz Bleibtreu alias Paul Jensen und Kasia Smutniak, die die Katja darstellt, sondern auch von den übrigen Mitgliedern der Truppe: Max Riemelt, Stipe Erceg, Mark Ivanir und Rade Serbedzija.

Thomas Engel