Django – ein Leben für die Musik

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Von der Politisierung eines Künstlers erzählt Etienne Comar in seinem Filmdebüt: Django Reinhardt, der große Jazzgitarrist und Komponist, muss sich 1943 entscheiden, ob er mit den Nazis zusammenarbeitet.
Reda Kateb spielt den auch heute noch geheimnisumwitterten Musiker mit melancholischem Touch und leicht düsterem Charme. Das Drama um Krieg, Verfolgung, Flucht und Widerstand bietet viel Diskussionsstoff, vor allem zur politischen Rolle der Kunst und zum Selbstverständnis der Künstler – ein schwerer und schwieriger, anspruchsvoller Film, der vielleicht mehr erreichen möchte als im Kino möglich ist: eine gleichzeitig sachliche und emotionale Auseinandersetzung mit einem aktuellen, aber kaum lösbaren Problem.

Webseite: www.weltkino.de

Frankreich 2017
Regie: Etienne Comar
Drehbuch: Etienne Comar, Alexis Salatko
Darsteller: Reda Kateb, Cécile de France, Bea Palya, Bimbam Merstein, Gabriel Mireté
Kamera: Christophe Beaucarne
Musik: Django Reinhardt, Warren Ellis
Länge: 117 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 26. Oktober 2017

FILMKRITIK:

Als literarische Vorlage diente Etienne Comar der Roman „Folles de Django“ von Alexis Salatko, der auch das Drehbuch mitverfasste. Es ist zu vermuten, dass viele Ereignisse und einige Personen im Film auf der Fantasie des Autors beruhen, denn Django Reinhardt blieb bis zu seinem frühen Tod ein geheimnisvoller Mann. Als "Manouche", so nennen sich die französischsprachigen Sinti selbst, und als Mitglied einer hochmusikalischen Familie trat er schon mit 12 Jahren als Musiker auf und wurde trotz einer schweren Brandverletzung an seiner linken Hand, die er nur noch eingeschränkt nutzen konnte, später zu einem der einflussreichsten Jazzmusiker seiner Zeit. Mit Beginn des 2. Weltkriegs hatte er in Frankreich bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt, und nach der Besetzung von Paris gehörten auch jazzbegeisterte deutsche Soldaten und Offiziere zu seinem Publikum. Viele seiner Familienmitglieder wurden als Sinti verfolgt und ermordet, Django Reinhardt hatte Glück und überlebte.

Comars Film ist kein Biopic im üblichen Sinn, denn er beschränkt sich auf den kurzen Zeitraum zwischen dem Jahr 1943 und dem Kriegsende. In seiner Geschichte ist Django Reinhardt zu Beginn der Inbegriff eines künstlerischen Hallodris: unpünktlich, undiszipliniert, ständig betrunken. Er lebt für seine Musik, ansonsten wirkt er eher wie ein großes Kind und kaum wie ein erwachsener Mann; ein Egozentriker, der sich wenig um alles um ihn herum kümmert. Seine Geliebte Louise meint einmal zu ihm: „Du bist der einzige, den der Krieg nicht verändert.“ – Später revidiert sie ihre Ansicht. Als aktive Widerstandskämpferin wird sie ihn prägen und beeinflussen.

Django Reinhardt hat sich zunächst mit den Nazis in Paris arrangiert, auch wenn sie seiner Musik Fesseln anlegen wollen. Beinahe lächerlich sind die Verbote, die sie ihm auferlegen: So darf er nicht mit den Füßen mitwippen, Soli sind untersagt, und Moll-Tonarten unerwünscht. Django Reinhardt lächelt dazu und macht im Grunde weiter, was er will. Doch die Gewalt rückt immer näher und bedroht ihn immer direkter, so dass er mit seiner Familie inklusive seiner schwangeren Frau die Flucht in die Schweiz plant. Aber schon aufgrund seiner Berühmtheit ist es schwierig für ihn, unterzutauchen …

Comars Geschichte zeigt die Ambivalenz in Reinhardts Leben mehr als deutlich: Auf der einen Seite ist da der emotional gesteuerte, leidenschaftliche Musiker, auf der anderen Seite der Familienvater, der sich seinen Sinti-Wurzeln verpflichtet fühlt. Schon zu Beginn wird durch eine Szene, bei der Sinti verfolgt und getötet werden, mehr als deutlich, wohin die Geschichte laufen wird: Django Reinhardt wird sich nicht entziehen können, er muss Stellung beziehen. Um diese Aussage herum haben Alexis Salatko und Etienne Comar eine Story komponiert, die weniger von realen Ereignissen als von dramaturgischem Nutzen geleitet wird und gelegentlich kolportagehaft daherkommt, aber immer wieder starke Momente zeigt: Wie sich Django Reinhardt auf der Flucht vor den deutschen Soldaten im Schnee vergräbt, ist ebenso spannend wie anrührend. Dass er dabei seine Gitarre opfert, ist wohl unvermeidlich.

Die Darsteller sind weitgehend eher unbekannt. Reda Kateb spielt den großen Musiker durchaus glaubwürdig und ist ein mehr als passabler Gitarrenspieler, der natürlich auch gelegentlich ein Handdouble bekommt. Ganz wunderbar ist Bimbam Merstein als seine Mutter: handfest und trotzdem liebevoll.

Die Musik spielt neben Reda Kateb die zweite Hauptrolle. Für den Film wurde Django Reinhardts Musik neu eingespielt – die Stücke werden in der Regel ausgespielt. Ganz am Ende gibt es noch ein überraschendes Highlight, denn Django Reinhardt hat im Gedenken an die Sinti-Opfer des Naziregimes ein „Requiem für Zigeunerbrüder“ geschrieben, von dem nur wenige Takte erhalten geblieben sind. Und das ist eine Musik, die im Nachhinein den ganzen Film zu erklären scheint.
 
Gaby Sikorski