Ein freudiges Ereignis

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Da sind sie nun, die frischgebackenen Eltern – vor ein paar Monaten waren sie noch himmelhoch jauchzend und von der Liebe beflügelt. Davon ist nichts mehr übrig, denn da ist ein neues Menschlein und will umsorgt werden. Und plötzlich prasselt das wahre Leben auf Mama und Papa ein. „Warum hat mich keiner gewarnt?“, fragt die junge Mutter.
Im Grunde handelt diese Komödie, die eher teilnahmsvoll als boshaft mit dem Thema Kinderkriegen umgeht, vom Erwachsenwerden und davon, was wir eigentlich vom Leben erwarten. Mit Sinn fürs Tragikomische aber ohne Schadenfreude liefert Rémi Bezançon eine Geschichte, die von sehr guten, frischen Schauspielern und von der realistischen Darstellung eines Alltagsthemas lebt. Nicht unbedingt hundertprozentig empfehlenswert für Schwangere und Frischverliebte, weil desillusionierend, aber ein hübscher Film vor allem für die reifere, weibliche Jugend. Zumindest kann hinterher keine mehr sagen, man hätte sie nicht gewarnt.

Webseite: www.einfreudigesereignis-film.de

Un heureux événement
Frankreich/Belgien 2011
Regie: Rémi Bezançon
Drehbuch: Rémi Bezançon, Vanessa Portal nach dem Roman von Eliette Abecassis
Darsteller: Louise Bourgoin, Pio Marmaï, Josiane Balasko, Thierry Frémont, Gabrielle Lazure
Länge: 107 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: 4.4.2013

PRESSESTIMMEN:

"Die warmherzig-aufrichtige Tragikomödie ist der passende Gegenentwurf zum üblichen Hollywood-Familienkitsch."
STERN

"So ehrlich wurde der Mythos von der glücklichen Elternschaft selten zerpflückt. ...Der Regisseur, bekannt für seine tragikomischen Gesellschaftsporträts ("C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben"), geht das hochsensible Thema zum Glück mit genug Humor an. "
DER SPIEGEL

"Eine amüsante Dramödie um den Stress und jene tiefsitzenden, vielgestaltigen Ängste, von denen Erstmütter umgetrieben werden."
DIE ZEIT

FILMKRITIK:

Dies ist keine typische Komödie von der Sorte: Setz dich rein und lach dich weg! Es gibt was zu kichern und viel zu schmunzeln, aber eher so wie bei einem Klassentreffen. Wenn einer von früher erzählt, worüber man erst jetzt lachen kann. Weil man inzwischen die Distanz hat zu dem, wovon man einmal dachte, es könnte einem das Herz brechen. Die Geschichte ist eher tragikomisch und herzerwärmend als hammerhart ulkig. Seinen gelegentlich auffunkelnden Witz bezieht der Film vor allem aus den absurden Situationen, in denen sich die werdenden Eltern wiederfinden.

Barbara und Nicolas haben es nicht leicht: Sie möchte eigentlich ihren Uni-Abschluss machen, und er würde am liebsten weiter mit seinen Kumpels rumziehen und nebenher ein bisschen in der Videothek jobben. Aber sie lieben sich, die beiden, und da fehlt zum großen Glück nur noch das Baby. Das ist schnell unterwegs und macht das Leben kompliziert. Immerhin schaffen sie es, gemeinsam in eine größere Wohnung zu ziehen, und auch sonst scheint es längere Zeit, als ob sie sich zusammenraufen und ihre Liebe im Alltag bestehen kann. Während Barbara von hormonellen Stimmungsschwankungen gebeutelt wird und aus ihrer Doktorarbeit einen Selbsterfahrungsbericht macht, sucht Nicolas einen neuen, seriösen Job. Aber so richtig ändert sich alles erst– das Leben, die Liebe und so weiter – als Baby Lea auf der Welt ist. Denn Barbara, die lange von Selbstzweifeln geplagt wurde, ob sie die Mutterschaft überhaupt bewältigen kann, mutiert zur Übermutter, in deren Leben gar kein Platz mehr ist für Nicolas. Und Nicolas? Der bleibt einfach der niedliche, kleine Junge, der er war.

Zwei frische Gesichter – Louise Bourgoin und Pio Marmaï – prägen diesen Film mit ihrem jugendlichen Charme und ihrer natürlichen Ausstrahlung. Sie spielen überzeugend die frischgebackenen Eltern, die zeitweise wirken, als wären sie gerade eben der Pubertät entsprungen, wenn überhaupt; jedenfalls sind sie zu jung zum Kinderkriegen. Sie wissen ja noch nicht mal, wer sie selber sind. Aber so läuft das mit der Liebe: Man geht miteinander ins Bett, alles ist schön, man kuschelt sich auf dem Motorrad aneinander, verbringt einen heißen Liebesurlaub, schon zieht man zusammen, weil ja immer noch alles so schön ist, und zack! wird sie schwanger. Und dann ist nichts mehr schön.

Interessanterweise ergreift der Film keine Partei für einen der Beteiligten: Barbaras Gluckenrolle wird liebevoll ironisch betrachtet, und Nicolas wirkt beinahe rührend in seiner jungväterlichen Unfähigkeit. Während Nicolas gern mal mit Lea auf dem Arm an der Playstation sitzt, verfällt Barbara einer sektiererischen Stillgruppe. Man spricht nicht mehr miteinander, und im Bett ist sowieso Flaute. Sie hatten nichts, was sie verbindet, außer Sex, so scheint es. Und nun haben sie gar nichts mehr gemeinsam, außer ihrem Baby. Beide wissen, dass es so nicht weitergeht, doch außer einem Wochenendausflug fällt Nicolas und Barbara wenig ein, womit sie ihre Beziehung kitten könnten. Eine Gebrauchsanweisung fürs Glück zu zweit hätten sie gern gehabt, die gab und gibt es aber nicht, ebenso wenig wie ein Rezept fürs Leben.

Die Geschichte hat Charme und das Ergebnis ist ein Film, der beinahe so realistisch ist wie die Wirklichkeit, vielleicht hier und da ein bisschen niedlicher, lustiger oder schrecklicher. Die Geburtsszene hätte kürzer sein können – hier wurde wirklich jedes Klischee bedient. Aber dafür gibt es auch ein paar sehr schöne neue Gags rund um den Kreißsaal, in deren Mittelpunkt eine sehr, sehr energische Hebamme und der junge Vater stehen. Was vom Film bleibt ist die Erkenntnis, dass Glück auch harte Arbeit bedeutet. Und das wiederum hat wohl wirklich was mit dem Erwachsenwerden zu tun.

Gaby Sikorski

In einer Disco Blickkontakt zwischen Barbara und Nicolas. Sofort gehen die beiden aufeinander zu. Ein paar weitere Begegnungen. Die Liebe wächst. Glücklich leben die beiden zusammen.

Das Schwangerschaftsmessgerät zeigt es an: Es ist soweit. Nun folgen neun Ausnahmemonate. Barbaras Hormone spielen verrückt. Dann die Wehen, und mit lautem Geschrei bringt Barbara wie alle anderen Frauen auch ein kleines Mädchen zur Welt. Es ist die Lea.

Das Kind wird so lange wie möglich gestillt, auch wenn die Schwiegermutter es besser wissen will. Ratschläge von Freundinnen gibt es genug. Doch Barbara bleibt bei ihrer Auffassung.

Kind pflegen, nachts aufgeweckt werden, das Schreien ertragen, Lea alle zwei Stunden füttern, alle Zeit opfern.

Barbara fängt an, das Ausgehen und die Freundinnen zu vermissen. Die typische postnatale Depressivität beginnt. Das Verhältnis zwischen Barbara und Nicolas wird noch gespannter, als es ohnehin schon war. Lea wird jetzt 1 Jahr alt. Die Trennung wird anscheinend unvermeidlich – hoffentlich nur anscheinend.

Eher ein Mutterschafts- als ein Liebesfilm. Was daran besonders gut ist: Er zeigt minutiös und in wirklich dokumentarischer Weise, wie es ist, wie es vielen jungen Frauen gehen kann.

Man wird vor dem, was Barbara erlebt, nicht speziell gewarnt. Der Fortpflanzungstrieb sorgt dafür, dass es einfach geschieht. Es ist nicht nur „ein freudiges Ereignis“, es ist auch ein gewichtiges, natürliches, Kräfte erforderndes.

Insofern vor allem für eventuell Betroffene gutes aber auch drastisches Anschauungsmaterial.

Inszeniert ist es gekonnt. Und Louise Bourgoin als Barbara erlebt und spielt das derart echt, als hätte sie es in der Realität schon zehnmal hinter sich gebracht.

Thomas Engel