Ein ganzes halbes Jahr

Zum Vergrößern klicken

Das Kinodebüt der britischen Regisseurin Thea Sharrock adaptiert den gleichnamigen Roman von Jojo Moyes, die auch das Drehbuch geschrieben hat, als Wohlfühlromanze mit einer ernsten Note. Ein lebensmüder junger Mann, der seit zwei Jahren im Rollstuhl sitzt, will in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch nehmen – und das, obwohl sich zwischen ihm und seiner unkonventionellen Pflegerin Louisa, einer absoluten Frohnatur, romantische Gefühle entwickeln.

Webseite: www.warnerbros.de

OT: Me Before You
USA 2016
Regie: Thea Sharrock
Drehbuch: Jojo Moyes
Darsteller: Emilia Clarke, Sam Claflin, Janet McTeer, Charles Dance, Vanessa Kirby, Pablo Raybould, Gabrielle Downey, Jenna Coleman
Länge: 110 Min.
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 23.06.2016
 

FILMKRITIK:

Die quirlige Louisa (Emilia Clarke) und der an den Rollstuhl gefesselte William (Sam Claflin) unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Die aus einfachen Verhältnissen stammende Louisa strahlt mit ihrer quietschbunten Kleidung und ihrer fröhlichen Art die pure Lebensfreude aus, während der vormalige Banker William, Sohn reicher Schlossbesitzer, seit einem Sportunfall im Rollstuhl sitzt und sein Leben nicht mehr für lebenswert hält. Als Wills Mutter Camilla (Janet McTeer) die in der Pflege unerfahrene Louisa als Betreuerin für ihren Sohn einstellt, dauert es eine Weile, bis die junge Frau zum verbitterten William vorstößt. Bei gemeinsamen Ausflügen zum Pferderennen oder dem Besuch eines klassischen Konzerts kommen sich die beiden aber peu à peu näher. Doch über der Beziehungsanbahnung liegt ein tiefschwarzer Schatten: Will hat sich dazu entschlossen, in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Ein halbes Jahr Bedenkzeit konnten seine Eltern dem jungen Mann abringen – und so tickt auch für Louisa die Uhr, die William von seinem radikalen Vorhaben abbringen will.
 
Die Grundkonstellation von „Ein ganzes halbes Jahr“ weist Parallelen zur französischen Erfolgstragikomödie „Ziemlich beste Freunde“ auf: Hier wie dort treffen zwei unterschiedliche Charaktere aufeinander, von denen der eine gelähmt ist und der andere eigentlich keine Qualifikation für die Betreuung eines Behinderten mitbringt. Und in beiden Fällen setzen die unorthodoxen Pflegekräfte auf ebenso unorthodoxe Methoden, um die Lebensgeister ihrer Schützlinge zu reanimieren. Doch während sich in „Ziemlich beste Freunde“ eine Freundschaft zwischen den Protagonisten entwickelt, bricht sich bei Louisa und William die Liebe Bahn.
 
Die debütierende Regisseurin Thea Sharrock verfilmt die Romanvorlage von Jojo Moyes mit verschiedenen Stimmungslagen, die zwischen Dramatik und Humor, Schwere und Leichtigkeit changieren. Quasi nebenbei verhandelt der Film noch ein ernstes Thema wie den attestierten Suizid. Hier geht es aber weniger um die Pros und Contras der Sterbehilfe, als um die konkreten Auswirkungen auf die Liebesgeschichte.
 
Mit viel Singer-Songwriter- und Klaviermusik und einer gediegenen Erzählweise nimmt sich Thea Sharrock ausreichend Zeit, die Beziehung zwischen den unterschiedlichen Protagonisten zu etablieren. Die mit der Erfolgsserie „Game of Thrones“ bekannt gewordene Emilia Clarke verkörpert die Frohnatur Louisa mit viel Verve und einer extrovertierten Mimik, bei der vor allem die Augenbrauen ein auffallend bewegliches Eigenleben entwickeln. Während ihre Performance in den leichtfüßigen Momenten gut funktioniert, gerät Clark in den dramatischen Szenen an ihre Grenzen. Sam Claflin aus „Die Tribute von Panem – Catching Fire“ überzeugt schon eher als verbitterter Sohn reicher Eltern, der fest entschlossen ist, sein Leben zu beenden.
 
Unterm Strich gelingt Thea Sharrock ein bisweilen kitschiger Liebesfilm mit einer ernsten Note, der ganz auf die beiden Hauptfiguren zugeschnitten ist. Einige markante Nebenfiguren wie der grundsympathische Krankenpfleger Nathan (Stephen Peacocke) stechen heraus, während etwa Louisas selbstbezogener Freund Patrick (Matthew Lewis) eine verzichtbare Randfigur bleibt.
 
Christian Horn