„Ein Kuchen für den Präsidenten“, das Spielfilmdebüt des Irakers Hasan Hadi, gewann 2025 in Cannes die Goldene Kamera, die jedes Jahr an das beste Erstlingswerk vergeben wird. Preiswürdig ist das Drama um ein Mädchen, das Anfang der 1990er-Jahre anlässlich von Saddam Husseins Geburtstag einen Kuchen backen muss, in der Tat. Geht der Regisseur doch einige Risiken ein, ohne auf die Nase zu fallen. Ernstes verbindet sich mit Komischem. Kinder und Tiere, stets große Unwägbarkeiten bei einem Dreh. stehen im Zentrum des Geschehens. Und aus einer Coming-of-Age-Erzählung erwächst ein politischer Kommentar.
Über den Film
Originaltitel
Mamlaket Al-Qasab
Deutscher Titel
EIn Kuchen für den Präsidenten
Produktionsland
IRQ
Filmdauer
105 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Hadi, Hasan
Verleih
24 Bilder Film GmbH
Starttermin
05.02.2026
Anfang der 1990er-Jahre tobt im Nahen Osten der Zweite Golfkrieg, ausgelöst durch die irakische Eroberung Kuwaits. Wirtschaftssanktionen sollen das von Diktator Saddam Hussein angeführte Regime in die Knie zwingen, treffen aber vor allem die Zivilbevölkerung, für die zahlreiche Lebensmittel plötzlich unerreichbar sind. Vor diesem Hintergrund erzählt Hadis Debütarbeit von der neunjährigen Lamia (Baneen Ahmad Nayyef), die in der Schule bei einer traditionellen (damals auch in der Wirklichkeit existierenden) Lotterie das „große Los“ zieht. Anlässlich des bevorstehenden Geburtstags von Staatsoberhaupt Hussein muss sie einen Kuchen für ihre Klasse backen.
Leichter gesagt als getan, wenn man die nötigen Zutaten nur unter großen Anstrengungen auftreiben kann. Von der Herausforderung lässt sich das im archaischen Marschland im Süden des Iraks lebende Mädchen jedoch nicht abschrecken und fährt mit ihrer betagten Großmutter Bibi (Waheed Thabet Khreibat) in die nächste größere Stadt. Dort erlebt Lamia allerdings eine böse Überraschung, vor der sie kurzerhand Reißaus nimmt. Zusammen mit ihrem stets unter dem Arm klemmenden Hahn Hindi und ihrem Klassenkameraden Saeed (Sajad Mohamad Qasem) macht sich die Neunjährige schließlich auf die abenteuerliche Suche nach den Ingredienzien für das Geburtstagsgebäck.
Lamias Wohnort im sumpfigen Hinterland, wo Boote die bevorzugten Verkehrsmittel sind, wirkt im direkten Vergleich mit der Stadt wie eine andere Welt. Und doch sind hier wie dort die Auswirkungen des internationalen Embargos zu spüren. Ständig beklagen Händler gegenüber dem Mädchen und ihrem Freund, dass sie fast nichts verdienen würden. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten zu Ehren Saddam Husseins auf Hochtouren. Während das Volk leidet, hat der Staatslenker nichts Besseres zu tun, als sich pompös in Szene zu setzen.
Der parallel stattfindende Krieg ist zwar nicht direkt sichtbar, legt sich aber wie ein unheilvoller Schleier über die Handlung. Mehrfach donnern Kampfjets durch die Luft. Im Krankenhaus treffen Lamia und Saeed auf verletzte Soldaten. Und gerade die Jugend wird gebetsmühlenartig auf den Saddam-Kult eingeschworen. Für den Diktator würden sie sich mit ihrem Blut und ihrer Seele einsetzen, schreien die Schüler ihrem Lehrer entgegen, der seine Anweisungen im Klassenzimmer wie ein Feldwebel durch die Gegend bellt.
Bedrückend sind auch jene Passagen, in denen der Regisseur die Abgründe des patriarchalen Systems schonungslos offenlegt. Die Protagonistin begegnet auf ihrer Odyssee immer wieder Männern, die ihre Not schamlos ausnutzen und ein klein bisschen Macht ausüben wollen. Selbst vor sexueller Ausbeutung schreckt manch einer nicht zurück. Als Hoffnungsschimmer baut Hadi den Taxifahrer Jasim (Rahim AlHaj) in sein Debütwerk ein, der sich als aufrichtiger Helfer erweist.
Trotz seines dramatischen Grundtons verfügt der größtenteils ohne künstliche Lichtquellen gedrehte Film auch über lustige Momente. Augenblicke, die für ein bisschen Auflockerung sorgen. Etwa, wenn sich eine schwangere Frau kurz vor der Entbindung über Lamias Namen mokiert. Mehrere Lacher auf seiner Seite hat nicht zuletzt der Hahn Hindi, dessen Krähen mitunter wie ein Kommentar auf die teils verrückten Ereignisse erscheint.
Gegen Ende fühlt sich die Dramaturgie ein wenig hingebogen und mechanisch an. Als Entschädigung dafür wartet „Ein Kuchen für den Präsidenten“ aber mit einem wahrlich unter die Haut gehenden Schlussakkord auf. Szenen, die zwei Dinge deutlich unterstreichen: Der Krieg ist unglaublich nah und das Gefälle zwischen der Führungsclique und den „einfachen“ Menschen auf niederträchtige Weise groß. Dieser Ausklang brennt sich ein, keine Frage!
Christopher Diekhaus