Ein Leben ohne Liebe ist möglich, aber sinnlos

Die Komödie über eine Frau um die 50, die plötzlich ihr ganzes Leben umkrempelt, weil sie sich nochmal verlieben möchte, bietet ein eher sanftes Amüsement und neben einigen überraschenden Wendungen eine gute Performance von Nora Navas, die in der Hauptrolle als Eva immer mehr an Lebensfreude und Optimismus gewinnt. Manches erinnert da an ähnliche Plots, so wie in der hübschen und deutlich sexbetonteren Komödie „It’s Raining Men“ (2024) mit Laure Calamy, doch hier geht es mehr ums Prinzipielle. Inszeniert von dem katalanischen Filmemacher Cesc Gay, der in Spanien vielbeschäftigt, aber hierzulande relativ unbekannt ist, entwickelt sich die Geschichte zu einer Art realistischem Statement für den Mut zum Neubeginn.

 

Über den Film

Originaltitel

Mi amiga Eva

Deutscher Titel

Ein Leben ohne Liebe ist möglich, aber sinnlos

Produktionsland

ESP

Filmdauer

90 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Gay, Cesc

Verleih

Neue Visionen Filmverleih GmbH

Starttermin

02.10.2025

 

Ein Flugzeug beim Anflug auf Rom: Die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten wirkt absolut einladend, doch Eva, die im Flugzeug sitzt, scheint sich dafür kaum zu interessieren. Sie ist geschäftlich in Rom: eine unauffällige Frau in mittleren Jahren, die alleine reist und darin offenbar sehr routiniert ist. Sie telefoniert ständig und ist als Literaturagentin praktisch immer im Dienst. In ihrem Hotel lernt sie zufällig den Drehbuchautor Alex kennen – in einer durchaus verfänglichen Situation: Er steht nackt vor ihr, seine Blößen eher mangelhaft mit einem Handtuch verdeckt, als Eva in ihrem Hotelzimmer eine Tür öffnet, die sich als Verbindung zum Nachbarzimmer herausstellt. Alex wird ihr noch öfter begegnen, er wird sie auch ansprechen, aber Eva bleibt zunächst zurückhaltend. Doch Alex löst etwas in ihr aus – vielleicht hat sie sich in ihn verliebt, vielleicht ist ihr aber auch nur bewusst geworden, wie wenig sie ihr eigenes Leben genießen kann. Als sie ihn schließlich auf seine Bitten hin zu einer Party begleitet, ist das der Beginn einer Entwicklung, die dazu führt, dass sich Eva von ihrem Mann trennt und einen Neuanfang wagt.

Interessanterweise spielt Alex hier eine eher kleine Rolle. Was sich zu Beginn in Richtung Affäre bzw. neue Partnerschaft entwickeln könnte, erweist sich als geschicktes Spiel mit den Erwartungshaltungen des Publikums. Auf der Party in Rom glubscht Eva den gut aussehenden Alex schon ziemlich verknallt an, aber es passiert letztlich nichts, außer dass er ihr ein Buch mit einer Widmung und seiner Telefonnummer schenkt. Das genügt schon, damit sich Eva verändert. Und schließlich nimmt sie selbst irgendwann Kontakt zu Alex auf, der wie sie in Barcelona lebt. Dabei stellt sich heraus, dass er nicht nur gebunden ist, sondern zudem offenbar gerade Vater wird. Hat sie zu lange gewartet? In ihrer Ehe mit Victor gibt es eigentlich keine Probleme – sie sehen sich ja kaum, doch nach einer etwas merkwürdigen Diskussion während eines Abendessens mit Freunden reift in Eva der Entschluss, dass sie sich von Victor trennen möchte. Die Kinder, beide schon fast erwachsen, sehen das ziemlich cool. Evas Tochter fürchtet vor allem, dass ihre Mutter sexy Fotos auf Tinder postet, über die sie zur Lachnummer in der Schule werden könnte.

Die zweite Hälfte des Films wird vorrangig zu einer vergnüglichen Reise durch die bunte, weite Welt des Online-Datings, bei der Eva viel an Erfahrung hinzugewinnt, aber wohl eher weniger an Befriedigung. Insgesamt bleibt der Tonfall insgesamt eher ruhig und der Humor eher liebevoll und zurückhaltend. Es gibt ein paar schöne Dialoge, und Nora Navas spielt ihre Rolle mit viel Einfühlungsvermögen – auch in der Entwicklung von der Graumausigkeit zu einer selbstbewussteren Frau. Wie andere Frauen ihres Alters hat sie die Angewohnheit, zu schwindeln, wenn ihr eine ehrliche Antwort zu umständlich oder zu peinlich wäre. Das spielt Nora Navas ebenso souverän und witzig, besonders wenn sie dabei erwischt wird. Darüber hinaus hat sie aber leider etwas zu wenig Gelegenheit, sich als originelle und sympathische Persönlichkeit zu etablieren und damit letztlich als Identifikationsfigur. Das gilt auch für die Beziehung zu ihrem Job und zu ihrer Familie sowie für ihr Verhältnis zum Sex – es gibt wenig Informationen und deshalb dazu weder Konflikte noch was zum Mitleiden oder zum Mitlachen. Das liegt aber nicht an der Darstellerin, die es schafft, immer sympathisch zu wirken, sondern am Drehbuch, das gerade in der Figurenzeichnung nicht immer konsequent komödiantisch voranschreitet. Auch für die Nebenfiguren, wie vor allem Victor, Alex und Evas Kinder wäre etwas mehr Präsenz wünschenswert gewesen. Dafür hätte man gern auf einige Personen aus der unübersichtlich wirkenden Schar von nahezu bedeutungslosen Freunden und Bekannten verzichtet. Vermutlich ging es Cesc Gay um die möglichst realistische Darstellung eines Entwicklungsprozesses – und dabei hat er ein bisschen vergessen, dass Komödien von Konflikten leben, z. B. zwischen der Hauptperson und ihrer Familie, aber auch in ihrem gesamten Beziehungsgeflecht. Das gilt ebenso für Evas Ehe mit dem gut aussehenden und absolut nicht langweilig wirkenden Victor, den Juan Diego Botto mit viel sanftem Charme verkörpert. Warum trennt sich Eva eigentlich von ihm? Da gäbe es, auch unter realistischen Umständen, viel Raum für Konflikte. Zwischenzeitlich entsteht der Eindruck, als ob die Komödie ein bisschen hinter ihren Möglichkeiten bleibt.

Insgesamt jedoch ist der Film durchaus unterhaltsam, auch wenn er weniger aufs Lachen als aufs Schmunzeln zielt – mit einer engagierten Hauptdarstellerin als Frau, die davon träumt, sich noch einmal im Leben so richtig zu verlieben. Ob das klappt?

 

Gaby Sikorski

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