Eismayer

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Das Leben schreibt einmal mehr die besten Geschichten. So wie jene des titelgebenden Charles Eismayer, einem gefürchteten Ausbilder im österreichischen Bundesheer. Der Familienvater verliebt sich überraschend in einen selbstbewussten Rekruten und wagt schließlich sein Coming Out: Ende aller Heimlichkeiten, Ouvertüre für ein neues Leben. Durch den Artikel in einem Boulevard-Blatt kam Filmstudent David Wagner auf die Idee für sein Filmdebüt, das prompt nach Venedig eingeladen wurden, gefolgt vom Zurich Film Festival und Max Ophüls. Auch im Arthaus-Kino dürfte diese schwule Version von „Full Metal Jacket“ für Furore sorgen.

Webseite: https://salzgeber.de/eismayer/

Österreich 2022
Regie: David Wagner
Darsteller: Gerhard Liebmann, Luka Dimic, Julia Koschitz, Anton Moori, Karl Fischer
Filmlänge: 87 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 1. Juni 2023

FILMKRITIK:

Während das heimische queere Kino auf dem internationalen Parkett sich meist mit Nebenrollen begnügen muss, gelingen dem kleinen Österreich auf großen Festivals die queeren Coups Nach „Die große Freiheit“ von Sebastian Meise in Cannes, feierte David Wagner in Venedig die Premiere von seinem „Eismayer“.

„20, 40, 60 Liegestützen!“ brüllt eine aggressive Stimme. Das ist die erste Begegnung mit Charles Eismayer, Vizeleutnant und Ausbilder im österreichischen Bundesheer. Der Mann ist gefürchtet unter den Rekruten, gilt gar als der schlimmste Schleifer der Alpenrepublik. Seinem Image als gnadenloser Macho wird Eismayer allzu gerne gerecht. Wenn er die Uniform ablegt wird derweil ein  liebevollen Familienvater aus ihm. Von seinem heimlichen, schwulen Doppelleben mit schnellem, anonymem Sex ahnt weder die Gattin noch sonst jemand etwas.

Bei den Vorgesetzten sind die Methoden des Ausbilders nicht unumstritten. „Wegen Schleifertypen wie Ihnen will niemand mehr zur Armee“, klagt der Hauptmann und will dessen autoritäres System der Demütigungen nicht länger tolerieren. Auch von einem neuen Rekruten gibt es bald Gegenwind: Mario Falak ist ausgesprochen selbstbewusst und wortgewandt. Zudem macht der  junge Mann mit Migrationshintergrund aus seiner Homosexualität keinen Hehl. Zwischen den beiden ungleichen Männern entsteht eine unausgesprochene Faszination. Als Mario bei einem Manöver an seiner Höhenangst zu scheitern droht, gibt sich sein Ausbilder ungewöhnlich verständnisvoll. Unter einem Vorwand lädt Eismayer den Rekruten später in seine Wohnung ein. Dass Mario in dieser Nacht nicht mehr in die Kaserne geht, scheint klar. Es gilt allerdings noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Krankheit und Krisen zu bewältigen, bevor der eine dem anderen im Riesenrad einen Antrag macht. Damit ist das Happy-End allerdings noch längst nicht garantiert…

Durch den Artikel in einer Boulevard-Zeitung kam Filmstudent David Wagner auf die Idee, diese ungewöhnliche Lovestory für sein Kinodebüt zu verfilmen. Was dem Pentagon mit Hollywood recht ist, könnte dem Bundesheer billig sein, dachte sich der Jungfilmer. Prompt bekam er die erhoffte militärische Unterstützung für sein Projekt. Natürlich nicht ganz selbstlos, das Bundesheer hofft mit diesem ersten Coming Out in der alpenländischen Armee auf Image-Gewinne. Die PR-Strategen in Uniform setzen darauf, „den positiven Eindruck zu vermitteln, dass der Umgang mit Diversität beim Bundesheer gereift ist und nunmehr weitestgehend den Ansprüchen einer modernen, offenen Gesellschaft gerecht wird“, wie es in der offiziellen Stellungnahme heißt. Dass es unter den Wehrpflichtigen bis auf winzige Ausnahmen so gut wie keine homophoben Aktionen gegen Mario gibt, will Regisseur David Wagner nicht nur als kleine Utopie verstanden wissen.

Der erfahrene Gerhard Liebmann, der für „Blutgletscher“ den Österreichischen Filmpreis erhielt, präsentiert den Titelhelden mit psychologischer Präzision, zeigt souverän dessen Mischung aus harter Schale mit großspuriger Macho-Attitüde und weichem Kern mit Unsicherheit und Sensibilität. Seinen selbstbewussten Lover Mario Falak spielt Luka Dimić, der im Vorjahr beim Schauspiel-Coming-Out des SZ-Magazins dabei war und mit dem Nestroy-Preis als bester Nachwuchsschauspieler prämiert wurde. Die Chemie zwischen diesem ungleichen Pärchen passt perfekt, da genügen kleine Gesten um zu zeigen, was diese Beziehung ausmacht.

 

Dieter Oßwald