Ente gut! Mädchen allein zu Haus

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Nach "Winnetous Sohn" ein weiterer Film aus der besonders geförderten Produktionsreihe "Der besondere Kinderfilm": Mit viel Humor und einem ausgewogenen, nötigen Maß an Ernsthaftigkeit stellt Regisseur Norbert Lechner („Tom und Hacke“) in seinem neuen Film Fragen nach den Schranken und Problemen von Integration – ein aufgrund der Flüchtlingsproblematik an Aktualität und Dringlichkeit nicht zu überbietendes Thema. Besonders macht den Film vor allem, dass er dies aus Kinderperspektive schildert bzw. aufzeigt. „Ente gut! Mädchen allein zu Haus“ hält gekonnt die Balance aus Witz und Tragik, überzeugt mit glaubwürdigen Kinderdarstellern und ist gespickt mit einer Vielzahl von Anspielungen und Reminiszenzen an Film-Klassiker.

Webseite: www.entegut.de

Deutschland 2016
Regie: Norbert Lechner
Drehbuch: Antonia Rothe-Liermann, Katrin Milhahn
Darsteller: Lynn Dortschack, Lisa Bahati Wihstutz, Linda Phuong Anh Dang, Andreas Schmidt, Y Nhung Dinh
Länge: 96 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 26. Mai 2016
 

Pressestimmen:

"Ein warmherziger Film über starke Mädchen."
Brigitte

FILMKRITIK:

Die 11-jährige Linh (Lynn Dortschack)  und ihre kleinere Schwester Tien (Linda Phuong Anh Dang) stehen plötzlich alleine da, als ihre Mutter überstürzt nach Vietnam reisen muss, um die kranke Oma zu pflegen. Auf einmal muss sich Linh um alles kümmern: die Hausaufgaben und Erziehung von Tien, den Haushalt und vor allem auch den Familienbetrieb: ein vietnamesischer Imbiss. Da Kinderarbeit natürlich verboten ist, darf niemand wissen, dass die beiden Mädchen den Laden quasi alleine schmeißen. Zudem würde es das Jugendamt nicht gut heißen, wenn zwei kleine Mädchen ohne ihre Mutter alleine in einer Wohnung leben. Zufällig kommt das Nachbarsmädchen Pauline (Lisa Bahati Wihstutz) hinter das Geheimnis und erpresst die Schwestern. Im Laufe der Zeit werden die drei jedoch allerbeste Freunde und Pauline hilft Linh und Tien schon bald, die Fassade aufrecht zu erhalten. Gelingt es ihnen, den Schein vor der Polizei und dem Jugendamt zu wahren?

„Ente gut! Mädchen allein zu Haus“ ist das neue Werk vom Münchner Regisseur und Drehbuchautor Norbert Lechner, der sich auf Kinder- und Jugendfilme spezialisiert hat. Seinen Durchbruch als Regisseur feierte er 2007 mit dem in der Nachkriegszeit angesiedelten „Toni Goldwascher“, der mit einigen Preisen bedacht wurde. Ebenfalls in die Nachkriegszeit in Bayern versetzte Lechner 2011 seine Adaption von Mark Twains „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ und machte daraus den charmanten Lausbuben-Abenteuerfilm „Tom und Hacke“. Mit „Ente gut!“ verlässt Lechner erstmals die bayerisch-ländliche Idylle: der Film entstand im letzten Jahr fast komplett in Halle an der Saale und könnte hinsichtlich seiner Themen nicht aktueller sein: es geht in erster Linie um Integration und die Überwindung von kulturellen Unterschieden.

Der Film thematisiert die Frage nach den Problemen und Schranken von Integration, und zwar – was seinen Ansatz und Blickwinkel besonders macht – aus Kindersicht. Das Einfügen in das gesellschaftliche Leben der neuen Heimat, trotz eines unterschiedlichen kulturellen Backgrounds – ein Aspekt, dem der Film in besonderem Maße Aufmerksamkeit schenkt. „Ente gut!“ zeigt, welche Schwierigkeiten dabei im Alltag auch für Geschäfteinhaber (im Film: der Imbiss) mitunter bestehen können – Kampf um eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis, Razzien durch die Polizei etc. – und an welchen Stellen Vorurteile, Klischees und Ressentiment gegenüber den Migranten bestehen.

Dabei kommt es zunächst auch immer wieder zu amüsanten Szenen, etwa wenn sich Pauline, die mit ihren kurzen, Pumuckl-ähnlichen Haaren und den vielen  Sommersprossen sehr lausbübisch daherkommt, über die Essgewohnheiten von Linh und Tien wundert. Das Verhältnis der Mädchen ist zudem einem Wandel unterzogen: von anfänglichen Unsicherheiten ob der unterschiedlichen Verhaltensweisen sowie der (kulturell bedingten) Riten, wandelt sich die Beziehung im Laufe der Zeit zu einer innigen, tiefen Freundschaft.

Überhaupt trifft der Film gekonnt den Ton zwischen Tragik und Komik, zwischen sehr lustigen und gefahrvollen bzw. ernsten Tönen. Dies zeigt sich immer dann, wenn die beiden Schwestern drohen aufzufliegen: von der Polizei und vom Jugendamt werden die Beiden spätestens ab der Hälfte des Films genauestens beäugt. Der Versuch, mit immer neuen Lügen und Einfällen zu verheimlichen, dass die Mutter in Vietnam weilt, stellt auch eine Art roten Faden im Film dar.

Großes Lob gebührt den erfrischenden Kinderdarstellerinnen. Während Pauline-Darstellerin Lisa Bahati Wihstutz bereits Schauspiel-Erfahrung vorweisen konnte, standen Lynn Dortschack und Linda Phuong Anh Dang das erste Mal vor der Kamera. Vor allem Dortschack merkt man die mangelnde Erfahrung nicht an: sie stellt die für ihr Alter enorm reife und vernünftige, große Schwester sehr glaubhaft und nachvollziehbar dar, ihr Spiel vor der Kamera wirkt sicher und abgeklärt.

Zwar wird der Film am Ende mit der Suche an einem Familienmitglied etwas zu hastig und überraschend allzu dramatisch und büßt von seiner Leichtigkeit ein, dennoch: nicht zuletzt auch die gelungenen Film-Anspielungen und Vorbeugungen vor Klassikern (z.B. „Das Fenster zum Hof“, „Der Pate“) sowie das augenzwinkernde Spiel mit Mafia- und Spionagekrimi-Klischees, machen den Film über die Maßen sehenswert.
 
Björn Schneider