Erwartung

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Nach vier Filmen mit dem Ermittler Carl Mørck war Schluss – und das, obwohl die vier Verfilmungen der Romane von Jussi Adler-Olsen in Dänemark zu den erfolgreichsten Eigenproduktionen überhaupt gehören. Das Ende war aber nur vorübergehend erreicht. Die Produktionsfirma wechselte, die Schauspieler leider auch, und „Erwartung – Der Marco-Effekt“ ist die Adaption eines der schwächeren Romane der Reihe. Diesmal ermitteln Mørck und Co. im Fall eines verschwundenen Kinderschänders.

Website: https://www.kochmedia.com/de/film/theatrical/

Marco effekten
Dänemark 2021
Regie: Martin Zandvliet
Buch: Anders Frithiof August, Thomas Porsager
Darsteller: Ulrich Thomsen, Zaki Youssef, Sofie Torp

Länge: 125 Minuten
Verleih: Koch Media
Kinostart: 2. Juni 2022

FILMKRITIK:

Carl Mørck (Ulrich Thomsen) sollte sich eine Auszeit nehmen, nachdem er einen Selbstmörder nicht überzeugen konnte, nicht vom Dach zu springen. Mehr als zwei Wochen hält Mørck es aber zuhause nicht aus. Und so stürzt er sich in den nächsten Fall. In einem Zug nach Kopenhagen wurde ein Roma-Junge aufgegriffen, der den Pass eines gesuchten Kinderschänders bei sich hatte. Dieser Mann ist vor vier Jahren, nachdem er ein Mädchen vergewaltigt haben soll, verschwunden. Die Polizei legte den Fall schnell zu den Akten. Mørck fragt sich nun, wieso. Was sollte vertuscht werden?

Die ersten vier Filme mit Carl Mørck wurden von Zentropa produziert. Die Firma hatte damit auch große Erfolge, aber wurde bei den Verhandlungen um die Adaptionen der sechs weiteren Romane von Nordisk Film ausgeboten. Autor Jussi Adler-Olsen hat bereits acht Romane geschrieben, auf zehn ist die Reihe seiner Aussage nach angelegt. In den ersten Filmen wurde Carl Mørck noch von Nikolaj Lie Kaas gespielt, während sein Kollege Assad von Fares Fares dargestellt wurde. Mit dem Wechsel der Produktionsfirma geht nun leider auch ein Wechsel des gesamten Ensembles einher. Das Erbe, das die neuen Schauspieler antreten müssen, wiegt schwer. Da hat selbst ein Mime vom Format eines Ulrich Thomsen zu knabbern.

Denn Thomsen ist wie immer gut, nur hat er kaum Material, mit dem sich arbeiten lässt. Denn ein Problem ist auch: Der Roman gibt nicht viel her. Die Geschichte ist unaufgeregt und vorhersehbar, alles, was bei den ersten vier Geschichten nicht der Fall war. Schlimmer noch: Die ersten Romane glänzen auch durch besonders perfide Plots, während Adler-Olsen beim fünften eine eher konventionelle Geschichte erzählt. Zudem ist die Handlung sehr holprig erzählt. Die narrativen Sprünge reißen den Zuschauer immer wieder raus, zumindest dann, wenn er nicht den Roman als Leitfaden kennt.

Die Entscheidung, den Film mehrheitlich in Tschechien zu drehen, ist auch fragwürdig. Das typisch nordische Flair geht etwas flöten. Ein offenkundiger Zug, den Film günstiger zu produzieren, das aber auf Kosten des Lokalkolorits. „Erwartung – Der Marco-Effekt“ sieht darum aber auch anders als die vier vorherigen Filme aus. Der Bruch ist noch stärker, da es ohnehin schon schwer genug ist, nach Kaas und Fares auf Thomsen und Zaki Youssef umzuschwenken.

Letztlich ein Film, der in Teilen unterhaltsam ist, aber wie eine Magermilchversion der vier vorherigen Carl-Mørck-Geschichten aussieht. Bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten Filme wieder mehr in Richtung der Vorgänger einschwenken und Thomsen und Co. sich die Rollen alsbald zu eigen machen können.

Peter Osteried