Every Note You Play

Mika Kaurismäkis Dokumentation erzählt von einem dreitägigen musikalischen Event im rheinischen Monheim, ist aber alles andere als ein konventioneller Konzertfilm. Denn auch das Event in Monheim war alles andere als ein konventionelles Konzert: 16 Stars aus der Improvisationsszene kamen drei Tage lang vor Publikum zusammen, um gemeinsam zu musizieren. Kaurismäki und sein Team haben sie dabei beobachtet, und so ist ein einzigartiger Film entstanden – ein durchimprovisiertes Großereignis, ebenso unvorhersehbar wie unwiederholbar.

Sicherlich kein Film fürs ganz große Publikum, aber spannend und interessant für Musikfans … und natürlich für alle, die Mika Kaurismäkis Filme kennen und lieben. 

 

Über den Film

Originaltitel

Every Note You Play

Deutscher Titel

Every Note You Play

Produktionsland

DEU

Filmdauer

90 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Kaurismäki, Mika

Verleih

Real Fiction

Starttermin

26.06.2025

 

Das einzigartige musikalische Event, das 2024 in Monheim stattfand, wird gern als „radikales Experiment“ bezeichnet, obwohl es eigentlich weder radikal noch für die beteiligten Musiker ein Experiment war. Musikalische Improvisation war und ist für die dort versammelten Künstlerinnen und Künstler von Weltrang eher alltäglich: Sie spielen beinahe täglich improvisierte Musik – für sich selbst, auf kleinen Bühnen, in kleinen Clubs. Das Neue daran war für die Musikerinnen und Musiker, dies ganze drei Tage lang zu tun: vor Publikum, ohne Plan und ohne Vorgaben. Mika Kaurismäki hat sie in dieser Zeit unaufdringlich, aber mit großer Neugierde von seinen Kameras verfolgen lassen, nicht nur beim Musizieren, sondern auch beim Austausch, bei Plaudereien und Reflexionen. Dabei ist es ihm nicht nur gelungen, die gelassene, durchaus heitere Atmosphäre dieses Events einzufangen, sondern er hat auch ganz unaufgeregt den kreativen Prozess seziert: Der Zuschauer kann sehen – und natürlich auch hören – wie Musik entsteht.

 

„Wer improvisiert, muss in erster Linie zuhören können.“ Dieser für „Every Note You Play“ absolut zentrale Satz fällt im ersten Drittel des Films, und das ist gut. Denn so lässt sich unmittelbar nachempfinden, wie wichtig und richtig das Zuhören für die Beteiligten tatsächlich ist. Es kommt beim Improvisieren eben nicht darauf an, quasi „auf Knopfdruck“ musikalische Einfälle zu produzieren, oder gar das zu spielen, was man immer spielt und was im Moment gerade irgendwie passen könnte. Improvisierte Musik, das wird in jeder der erstaunlich kurzweiligen 82 Minuten deutlich, ist Kommunikation. Stimmungen werden aufgegriffen, mit dem eigenen Empfinden verarbeitet und zu einem aus der Situation heraus entstehenden Ausdruck gebracht. Wenn man gemeinsam mit Kaurismäki den Musikern zusieht und zuhört, wird schnell deutlich, dass improvisierte Musik alles andere als zufällig ist: Es gibt zwar kein vorgegebenes Konzept, doch die Musikerinnen und Musiker entwickeln zusammen beim Spielen einen Plan, den sie – gemeinsam oder auf Solo-Pfaden – bis zum Ende verfolgen. Beim Zuhören entdeckt man dann tatsächlich Strukturen, die zwar spontan entstehen, aber mindestens bis zum Ende der Musik Bestand haben.

 

Mika Kaurismäki ist es gelungen, mit seiner Kamera genauso entspannt zu agieren wie die Künstler mit ihren Instrumenten. Und die Musikerinnen und Musiker haben es ihm leicht gemacht. Drei Tage lang durften sie tun, was sie am besten können und am liebsten machen: improvisieren. Und so ist es Kaurismäki gelungen, nicht nur die reine Freude dieser höchst begabten Menschen einzufangen. Er hat vielmehr mit ganz einfachen Mitteln einen Film gedreht, der vollkommen unprätentiös zeigt, wie aus Tönen Klänge werden und aus Klängen Kunst. Hier entsteht Musik zum Anfassen – ein Fest für alle Fans von avantgardistischer Musik.

 

Wer improvisierte Musik für „schwer zugänglich“ hält, wird in „Every Note You Play“ erleben, wie sich derartige Vorurteile schon nach wenigen Minuten in Luft auflösen. Hier sind keine abgehobenen, von sich selbst übermäßig überzeugten Musiker am Werk, sondern fröhliche, zugewandte Künstlerinnen und Künstler, deren Ziel es (auch) ist, ihr Publikum, für das sie improvisieren, gut zu unterhalten. Wie gut ihnen das drei Tage lang gelungen ist, zeigt der Film von Mika Kaurismäki ebenso wie die Einblicke in künstlerische Schaffensprozesse. Am Ende entsteht Musik … für Augen und Ohren.

 

Gaby Sikorski

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