Feuerwerk am hellichten Tag

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Spannend und düster – der Berlinale-Gewinner 2014 ist ein Arthouse-Thriller der Extraklasse mit allem, was dazugehört: ein desillusionierter Held, eine mysteriöse Schöne, viele Verdächtige und eine verzwickte Handlung. In magischen Bildern entwirft Regisseur Diao Yinan seine Geschichte um den kaputten Ex-Polizisten Zhang, der auf eigene Faust ermittelt und dabei in die Abgründe menschlicher Gefühle blickt. Yinans China ist eine finstere Alptraumlandschaft, bevölkert von einsamen, verstörten Menschen. Sie alle haben Träume, Ängste und Obsessionen … und sie wollen geliebt werden.

Webseite: www.weltkino.de

Originaltitel: Bai Ri Yan Huo – Black Coal Thin Ice (Berlinale-Titel)
China, Hongkong/China 2014
Regie und Drehbuch: Diao Yinan
Darsteller: Liao Fan, Gwei Lun Mei, Wang Xuebing, Wang Jingchun, Yu Ailei, Ni Jingyang
Kamera: Dong Jinsong
Musik: Wen Zi
Länge: 106 Minuten
Format: deutsche Synchronfassung und OmU
Verleih: Weltkino
Kinostart: 24. Juli 2014

Preise:

Goldener Bär Bester Film Berlinale 2014; Silberner Bär für den besten Hauptdarsteller Berlinale 2014

Pressestimmen:

"Ein meisterhafter Thriller."
Der Spiegel

"Ein stilvoller Neo-Noir-Thriller aus China in satten Farben."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Zhang ist Wachmann – früher war er Polizist, doch beim Einsatz in einem Mordfall wurde er schwer verletzt. Zwei seiner Kollegen und die beiden Verdächtigen starben. Das ist jetzt ein paar Jahre her, und seitdem ist Zhang auf dem absteigenden Ast: Er wurde zum verlotterten Säufer mit einem miesen Job, ohne Familie und Freunde. Als er von einem Verbrechen erfährt, das dem Mordfall von damals stark ähnelt, erwacht der alte Jagdinstinkt in ihm. Wieder wurden Leichenteile entdeckt – damals war das Opfer ein Kohlearbeiter. Wer ist es diesmal? Eine Spur führt wiederum in die Wäscherei von Rong Rong und zu seiner Angestellten Wu Zhizhen. Die stille, schöne Frau ist die Witwe des seinerzeit ermordeten Kohlearbeiters. Zhang nähert sich ihr als Kunde und versucht, mehr über sie und ihr Leben zu erfahren. Nur sein ehemaliger Kollege Wang weiß von Zhangs Nachforschungen. Er warnt ihn davor, auf eigene Faust zu ermitteln. Doch dann wird ausgerechnet Wang ermordet …
 
Das moderne China, das Diao Yinan hier präsentiert, ist ein Ort der Schwermut und der Einsamkeit. Sein Film spielt in einer Provinzstadt im Winter – bei Schmuddelwetter und im Schnee. Fast immer ist es dunkel, nur manchmal glänzen Schnee und Eis wie eine blitzende Verheißung, funkeln Lämpchen oder blitzen Farbtupfer. Der düstere Eindruck wird verstärkt von Impressionen aus dem gesellschaftlichen Alltag: eine Tanzschule, wo sich ernste, schweigende Menschen zu chinesischen Schlagern in europäischen Tänzen bewegen. Ein Restaurant, eine Kantine, ein Nachtklub; hier gibt es nichts zu lachen. Dies ist die Welt von Zhang Zili, der seinen Job als Polizist verloren hat und damit seinen Lebensinhalt. Seitdem lässt er sich gehen. Nur sein tolles Motorrad ist ihm aus früheren, ruhmreichen Tagen geblieben. Er wird es verlieren – ein weiterer peinlicher Beweis seines Versagens. Zhang ist ein typischer Held des klassischen Film noir: Einzelgänger, Kettenraucher, Trinker und besessen vom Willen, ein Verbrechen aufzuklären, ganz gleich, wie hoch der Preis ist, den er selbst dafür bezahlen muss.

Diao Yinan erzählt in strengen, starren Bildern von mystischer Poesie, mit denen er eine Atmosphäre ständiger Bedrohung schafft, die nur gelegentlich von absurden und manchmal erlösend komischen Details gebrochen wird. Da steht dann schon mal ein Pferd auf dem Flur. Trotz der grausamen Verbrechen, um die es geht, gibt es weder Splatterszenen noch spektakuläre Effekte. Stattdessen regiert die Melancholie der Nacht. Formal und inhaltlich ist dies ein leicht aufgepeppter und dennoch klassischer Film noir.
 
Die Handlung scheint zwischendurch vom Krimi in die Romanze zu gleiten, immer mehr Nebenfiguren und Nebenschauplätze tauchen im Verwirrspiel auf, aber Vorsicht: Diao Yinan verliert sein Ziel so wenig aus den Augen wie sein Held, der sonst nichts mehr zu verlieren hat. Liao Fan spielt den rustikalen, knorrigen Detektiv mit großem Gleichmut und gelegentlichem Zynismus. Gwei Lun Mei ist als Wu Zhizhen wie eine besonders zarte, feine Blume, sehr zerbrechlich – eine Femme fatale wie aus dem Bilderbuch, so schön wie still. Und vor allem sehr mysteriös.
 
Gaby Sikorski