Finsterworld

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Ein sarkastisches, überzeichnetes Porträt Deutschlands zeichnen Frauke Finsterwalder und Christian Kracht in ihrem Film „Finsterworld“. Obwohl mit zunehmender Länge des Films die bitterböse Bestandsaufnahme deutscher Befindlichkeiten dramaturgisch aber etwas abnimmt, überzeugt in teils brillanten Vignetten eine ganze Riege erstklassiger Schauspieler, unter ihnen Sandra Hüller, Corinna Harfouch, Carla Juri.

Webseite: www.alamodefilm.de

Deutschland 2013
Regie: Frauke Finsterwalder
Buch: Christian Kracht, Frauke Finsterwalder
Darsteller: Ronald Zehrfeld, Sandra Hüller, Margit Carstensen, Corinna Harfouch, Bernhard Schütz, Christoph Bach, Carla Juri
Länge: 91 Minuten
Verleih: Alamode Film
Kinostart: 17. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

"Das bitterböse Sittenbild eines Landes zwischen Gutmenschen, SUV-Wahn und KZ-Besuchen - und der originellste deutsche Film des Jahres."
Stern

"Zwischen Tragik und absurder Komik seziert die Regisseurin Frauke Finsterwalder (...)deutsche Identität und Vergangenheitsbewältigung. Themen wie "Einsamkeit, Ausgrenzung und alltäglichen Faschismus, die man auf der ganzen Welt kennt" habe sie behandeln wollen, erklärt die Regisseurin (..). Und das ist ihr in diesem beachtlichen Spielfilmdebüt, das in mehreren Episoden individuelle und kollektive Schuld reflektiert, beeindruckend gelungen."
Die Zeit

"Ein wohltuend anstößiger, glänzend besetzter Debütfilm, der sich an einem schwarzen Humor made in Germany versucht und Heimatsatire wie Kuriositätenkabinett gleichermaßen bedient. - Sehenswert."
film-dienst

"Ein großartiges Debüt und ein schwarzhumoriges Porträt unserer Zeit – bitterböse und zutiefst menschlich. - Prädikat: besonders wertvoll"
Filmbewertungsstelle Wiesbaden

FILMKRITIK:

Unverkennbar in Deutschland, aber doch in einem der Phantasie entsprungenen, irrealen, überzeichneten Deutschland spielt „Finsterworld“, der erste Spielfilm der bislang durch einige Dokumentationen aufgefallenen Frauke Finsterwalder. Dass Name von Film und Regisseurin ähnlich klingen ist kein Zufall, denn das Drehbuch, dass Finsterwalder zusammen mit ihrem Mann Christian Kracht geschrieben hat, versucht Deutschland, den Deutschen, ihren Besonderheiten und Macken den Spiegel vorzuhalten und macht dabei auch vor der Figur einer Dokumentarfilmerin nicht halt.

Um die Ähnlichkeit noch deutlicher zu machen, heißt diese von Sandra Hüller gespielte Figur Franziska Feldenhoven und bemüht sich gerade eine Reportage über einen vor dem Fernseher lebenden Mann zu drehen, der sich von Fertiggerichten ernährt. Ein Einblick in die deutsche Realität soll das werden, ein Abbild deutscher Befindlichkeit, wie bei einem Telefonat mit der Redakteurin zu erfahren ist. Doch so recht glaubt weder Feldenhoven an das was sie sagt, noch ihr Mann, der Polizist Tom (Ronald Zehrfeld), der in ländlicher Umgebung Streife fährt und in seiner Freizeit gern flauschige Tierkostüme trägt.

Währenddessen unternimmt ein Geschichts-Leistungskurs eine Bildungsreise zu einem Konzentrationslager, wo der engagierte Lehrer Nickel (Christoph Bach) seine Zöglinge mit der deutschen Vergangenheit konfrontiert. Doch dafür interessieren sich weder der Schnösel Maximilian (Jakub Gierszal) noch die Alternative Natalie (Carla Juri), die mit dem Außenseiter Dominik (Leonard Scheicher) Comics ließt. Derweil befinden sich Maximilians Eltern Inga und Georg (Corinna Harfouch und Bernhard Schütz) in einem Luxushotel und mosern über schlechten Service, unfähige Autovermietungen und den generellen Verfall der deutschen Gesellschaft.

All diese und noch manche anderen Figuren treten in kurzen Vignetten auf, die anfangs scheinbar zusammenhanglos nebeneinander stehen und zunehmend auf geradezu schicksalhafte Weise zusammenlaufen. Und hier beginnen die Probleme von „Finsterworld“. So bissig und pointiert die einzelnen Szenen anfangs auch waren, so präzise und schonungslos Finsterwalder und Kracht dem deutschen Wesen den Spiegel vorhalten, so wenig gelingt es ihnen im weiteren Verlauf des Films, die einzelnen Charaktere und Episoden zu einem prägnanten Ergebnis zu führen.

Gerade der Vergleich mit den frühen Filmen Ulrich Seidls, den Feldenhoven (also Finsterwalders Alter Ego) im Film selbst vornimmt, deutet den Mangel an: Während der mit ähnlicher Härte und Schonungslosigkeit analysierende Österreicher in seinen besten Filmen wie „Hundstage“ oder „Import/Export“ die Zustandsbeschreibung einer verrohten Gesellschaft zu einem kathartischen Ende führte, der bei allen Abgründen letztlich doch humanistisch war, zwingen Finsterwalder und Kracht ihre Figuren eher zu einem Ende, als das es sich organisch entwickeln würde. Manche Figuren drehen durch, andere sterben, und die Einsamkeit, die anfangs auch in der Zweisamkeit herrschte, manifestiert sich. So hinterlässt „Finsterworld“ einen zwiespältigen Eindruck: Eine herausragende erste Hälfte, voller bösem Witz und präzisen Zustandsbeschreibungen, gefolgt von einer zu mäandernden, unfokussierten zweiten.

Michael Meyns