Folgeschäden

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Der ambitionierte Wissenschaftler Tariq Azmi und seine erfolgreiche Frau Mays, Art Directorin bei einer Hamburger Illustrierten, führen mit ihrem jungen Sohn Karim eine multikulturelle Musterehe. Bis plötzlich das BKA den gebürtigen Algerier verdächtigt, Teil einer von Hamburg aus operierenden, islamischen Terror-Zelle zu sein. Unter den zunehmenden Verdächtigungen und Repressalien beginnt das gerade noch so feste Bollwerk der Familie bedrohlich zu bröckeln.

Webseite: mecfilm.de

Regie: Samir Nasr
Darsteller: Mehdi Nebbou, Silke Bodenbender, Mahmoud Alame
D 2005
Länge: 87 Minuten
Verleih mecfilm
Start: 6.9.

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Der 11. September 2001 hat auch das Leben des Algeriers Tarig Azmi verändert. Seit Jahren lebt der junge Wissenschaftler bereits mit seiner deutschen Frau Maya und dem gemeinsamen Sohn Karim in Hamburg. Die drei haben sich ein kleines Idyll aufgebaut mit rosigen Zukunftsaussichten. Alles läuft so perfekt, dass keiner von ihnen so richtig mit der Veränderung umgehen kann, die plötzlich über sie hereinbricht. Weil Tariq als Mitglied der moslemischen Gemeinde Hamburg als Gast auf der Hochzeit bei Said Bahaji war, einem der Koordinatoren des New Yorker Anschlags, gerät er ins Visier des BKA. Die Beamten sind überzeugt, in dem Algerier ein wichtiges Mitglied einer islamischen Terror-Gruppe gefunden zu haben. Während die Ermittlungen schon bald Tariqs Arbeit als Virologe ernsthaft gefährden, setzen die Beamten gleichzeitig seine Frau unter Druck. Anfangs wehrt sich Maya noch vehement gegen die Verdächtigungen und die Aufforderung ihren Mann auszuspionieren, doch dann häufen sich zu Hause die Unstimmigkeiten: Zuerst taucht Tariqs iranischer Freund Reza auf, dessen religiöse Anschauungen bei Maya für Irritationen sorgen, zumal sie scheinbar von ihrem sonst so laizistischen Mann immer stärker geteilt werden. Dann bekommt Maya mit, dass Tariq ihr die dramatischen Veränderungen in seinem Büro verschweigt. Erst erhält er kein Visum für seine Vortragseinladung in die USA, dann zieht ihn sein Chef auf Druck des Ministeriums ganz von der Arbeit mit hochgefährlichen Virenstämmen ab. Tariq reagiert auf die zunehmenden Anschuldigungen immer gereizter. Seine Aggressionen und sein Schweigen deutet Maya wiederum als ernst zunehmende Indizien, dass die Anschuldigungen der Polizei der Wahrheit entsprechen. Was gerade noch sicher und vertraut war, hat plötzlich keinen Bestand mehr.
 

In seinem Spielfilmdebüt schildert der Deutsch-Ägypter Samir Nasr, wie schnell sich in dem gegenwärtigen Klima des Misstrauens gegen Moslems ein Verdacht verselbständigen kann. Zumal wenn die Zweifel von tief verwurzelten Vorurteilen und Ressentiments genährt werden. Für seine These wählen Samir Nasr und sein Drehbuchautor Florian Hanig bewusst eine möglichst private Ebene, um zu zeigen, wie nachhaltig sich die globalen Ereignisse auch auf die einzelnen Menschen auswirken können. Gerade dass das Glück der Familie so mühelos auszuhöhlen ist, macht die Verletzlichkeit des Menschen deutlich. So konzentriert sich der schnörkellos inszenierte Film denn auch ganz auf die Erosion der Ehe. Dabei sorgen gleich zwei Fragen für die nötige Dramatik. Wie Maya, weiß auch der Zuschauer nicht, ob der Mann in ihrem Bett nicht doch ein „Schläfer“ ist, gleichzeitig wächst das Misstrauen mit jedem Moment, so dass in jedem Falle die Ehe ernsthaft gefährdet ist. Samir Nasr kann bei seiner Inszenierung ganz auf die Schauspieler bauen, die den Prozess der dramatischen Entfremdung mit großer Glaubwürdigkeit vollführen. Besonders Mehdi Nebbou, der eine ähnliche Rolle schon in Benjamin Heisenbergs „Schläfer“ spielte, gelingt es mit großem Geschick seine Figur so facettenreich anzulegen, dass der Zuschauer lange über das wahre Wesen des Mannes im Dunkeln tappt. Man trägt die Zweifel mit und erfährt so auch etwas von dem Gift, das sich hier so nachhaltig in unserer Gesellschaft ausgebreitet hat.

Norbert Raffelsiefen