Frau mit den 5 Elefanten, Die

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Für gewöhnlich bleiben Übersetzer von Büchern und Romanen im Verborgenen. Nicht so in diesem Porträtfilm des Deutsch-Schweizers Vadim Jendreyko. Sein Interesse gilt jener inzwischen 85-jährigen Frau, die für den Schweizer Ammann-Verlag die fünf großen Romane von Fjodor Dostojewskij übersetzt hat. Vom Umfang der Werke leitet sich auch der Titel dieser nicht nur Einblicke in literarische Arbeitsweisen gebenden, sondern auch das bewegte Leben einer faszinierenden Frau gewährenden Dokumentation ab.

Webseite: www.5elefanten.ch

Schweiz/Deutschland 2009
Regie: Vadim Jendreyko
Dokumentarfilm
Länge: 97 Minuten
Verleih: Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 28.1.2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Man muss kein Dostojewskij-Kenner sein, um sich auf dieses filmische Porträt von Swetlana Geier, der größten Übersetzerin von russischer Literatur ins Deutsche, einzulassen. Nicht die Literatur selbst steht im Zentrum der Dokumentation, sondern die Erinnerungen der heute 85-jährig in Freiburg lebenden Protagonistin an ein von der wechselvollen Geschichte Europas begleitetes Leben. Zugleich schaut die Kamera der mehrfachen Groß- und Urgroßmutter auch dabei zu, wie sie mit einer ebenfalls betagten Sekretärin und einem penibel die von ihr übersetzten Worte und Sätze abwägenden Lektor russische Originale ins Deutsche transformiert. Ein Prozess, der weit über das sukzessive übersetzen von Sprache hinaus geht, sondern das Beschriebene so überträgt, dass auch deren Geist in der Übersetzung erhalten bleibt. Gerade die Zusammenarbeit mit ihrem Lektor sorgt in diesem sich insgesamt doch eher mit einem trockenen Thema befassenden Film mit seiner unfreiwilligen Komik für willkommene Auflockerung.

Wenn Swetlana Geier Sätze sagt wie „jede geistige Erfahrung trägt dazu bei, dass man sich besser versteht und nicht totschlägt“, so spricht daraus die Erfahrung eines Lebens, das 1923 in der Ukraine begann und von gleich zwei Diktaturen – zunächst Stalin, später Hitler – berührt wurde. Viele ihrer Erinnerungen kommen während einer Reise in die Ukraine wieder hoch – der ersten, die sie seit 1943, nun mit einer Enkelin, unternimmt. Der Anlass ist ein für sie wenig erfreulicher: ihr Sohn Johannes hat sich schwer verletzt und muss gepflegt werden. Die Rückkehr in die alte Heimat unterfüttert Regisseur Jendreyko mit Archivbildern.

So wichtig Erinnerungen, biografisches und geschichtliche Einordnung zum Verständnis der Person Geier sind, so aussagekräftig ist jedoch auch die Art und Weise, wie diese intelligente und würdevolle alte Frau ihren Alltag bewältigt. Vor allem imponiert es, sie über das Leben philosophieren zu hören und wie sie sich Gedanken über Worte und Laute und deren gelegentliche Unübersetzbarkeit macht. „Man muss Dostojewskij lesen wie ein Schatzgräber: an den unscheinbarsten Stellen sind Juwelen vergraben, die man oft erst beim zweiten oder dritten Mal Lesen entdeckt“, sagt sie über ihre literarische Auseinandersetzung mit dem zu den einflussreichsten Schriftstellern der Weltliteratur zählenden Autor von „Schuld und Sühne“, dessen Titel sie als „Verbrechen und Strafe“ übersetzte.

Dass Filmemacher Jendreyko das Vertrauen seiner Protagonistin genießt, das merkt man immer wieder auch daran, wie nahe er Swetlana Geier mit der Kamera kommen darf. Insbesondere Großaufnahmen ihrer Hände haben es ihm dabei angetan, sind sie doch Ausdruck eines langen und arbeitsreichen Lebens. Gleichwohl zeigt die Regie aber auch ein Gespür, sich dann zurückzuziehen, wenn es Situation und Gefühle verlangen – wie etwa jener Moment, in dem Swetlana Geier vom schweren Arbeitsunfall ihres 50-jährigen Sohnes erfährt. Es ist einer der seltenen Momente, in dem dieser imponierenden Frau die Worte fehlen.

Thomas Volkmann

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