Einer der besten Filme des letzten Jahres kommt nun doch noch in die Kinos: James Grays „Two Lovers“, eine Variation seines brillanten Gangster-Dramas „We own the Night“, eine weitere Studie der Einsamkeit, der verlorenen Ziele, des armenischen Milieus von Brighton Beach. Ein feinsinniges, subtiles Drama mit Joaquin Phoenix in seiner vielleicht letzten Rolle.
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USA 2009
Regie: James Gray
Drehbuch: James Gray, Richard Menello
Kamera: Joaquin Baca-Asay
Schnitt: John Axelrad
Darsteller: Joaquin Phoenix, Gwyneth Paltrow, Vinessa Shaw, Moni Moshonow, Isabella Rossellini, Elias Koteas
Länge: 110 Min.
Verleih: Centralfilm / Wild Bunch
Kinostart: 11. Februar 2010
PRESSESTIMMEN:
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FILMKRITIK:
Eigentlich eine ganz klassische, um nicht zu sagen banale Geschichte: Ein Mann steht zwischen zwei Frauen, einer etwas verrückten Blonden und einer stillen Brünetten. Mehr erzählt James Gray in „Two Lovers“ nicht und zeigt doch so viel mehr. In der Hauptrolle ist erneut – zum dritten Mal bei Gray – Joaquin Phoenix zu sehen, der angekündigt hat, nach diesem Film die Schauspielerei an den Nagel zu hängen. In Grays „We own the Night“ spielte er einen leichtlebigen Disco-Betreiber mit Mafia-Verbindungen, der durch die Umstände, das Schicksal, in das Familiengeschäft gezogen wurde: Die Polizei. Auch hier, als Leonard Kraditor, schwebt Phoenix mit der ihm eigenen somnambulen Aura durch den Film und sein Leben, hat gerade einen halbherzigen Selbstmordversuch hinter sich, eine späte Reaktion auf sein Trauma, die Flucht seiner Verlobten. Seitdem lebt Leonard wieder bei seinen Eltern (Moni Moshonow und Isabella Rossellini) in einer dunklen, engen Wohnung, hilft in der Familien-Wäscherei und geht gelegentlich seinem Hobby, der Fotografie, nach. Die künstlerische Arbeit deutet einen Ausweg aus dem eintönigen Leben im New Yorker Vorort Brighton Beach an, doch es ist eine der vielen Stärken von Gray, dass er diese Hoffnung nicht als realistische Option darstellt. Leonards Leben verläuft ohne große Aufregung und selbst als er seine neue Nachbarin, die schöne, blonde Michelle (Gwyneth Paltrow) kennen lernt, weiß man als Zuschauer jederzeit, dass daraus nichts werden wird. Zumal Michelle eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat, der ihr seit langem verspricht, sich von seiner Frau zu trennen und sie Leonard meist nur als Freund, manchmal als Trostpflaster versteht. Auch dies eigentlich ein einziges Klischee, doch auf wundersame Weise überhöht Gray den vordergründig konventionellen Plot, denn was ihn interessiert ist weniger die Geschichte an sich als die Figuren. Neben Leonard und Michelle ist das die Dritte im Bunde: Sandra (Vinessa Shaw), die Tochter eines Geschäftspartner des Vaters, eine bodenständige Person, die Leonard aufrichtig liebt und doch die Welt seiner Eltern verkörpert, aus der Leonard zu gerne fliehen würde, ohne es zu können.
Von diesen drei Menschen erzählt Gray in unaufgeregter Manier, ohne gekünstelte Dramatik, mit nuancierten Darstellungen und prägnanten Breitwandbildern, die die Isolation, die Enge des Lebens spürbar machen. Im Gegensatz zu „We own the Night“ wird hier mit deutlich weniger dramatischer Wucht erzählt. Statt des großen Melodramas jenes Films überwiegt hier die subtile Tragik, die sich kaum als solche äußert und die doch in so vielen Blicken und Gesten spürbar wird. Erneut ist es Joaquin Phoenix, der mit seiner immanenten Verlorenheit perfekt besetztes Zentrum einer Geschichte ist, die vom Schicksal erzählt, von Familie und Loyalität, die dem persönlichen Glück oft entgegensteht. Ein kleines Meisterwerk von einem der besten amerikanischen Regisseure der Gegenwart.
Michael Meyns