Free Rainer – Dein Fernseher lügt

Zum Vergrößern klicken

Anarchie in Germany. Moritz Bleibtreu nimmt in der kompromisslosen Mediensatire von "Die fetten Jahre sind vorbei"-Regisseur Hans Weingartner den Kampf gegen Quoten und volksverblödende Fernsehformate auf. Eben noch selbst auf der Seite der Programmmacher, verändert ein Unfall nicht nur sein Leben, sondern das einer ganzen Nation. Bildungsfernsehen und Fassbinder-Filme sind wieder angesagt. Eine wahrlich frohe Botschaft, die Weingartner hier in seinem inhaltlich wie formal bestens austarierten und vor allem kurzweiligen Film verkündet.

Webseite: www.freerainer.de

Deutschland/Österreich 2007
Regie: Hans Weingartner
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Elsa Sophie Gambard, Milan Peschel, Gregor Bloéb, Simone Hanselmann, Franziska Knuppe
129 Minuten
Verleih: Kinowelt
Start: 15.11.2007

PRESSESTIMMEN:

Hans Weingartner hat für diesen Film so viele schöne Ideen gehabt, dass man beim Zuschauen immer wieder ganz leise vor sich hin juchzt, weil man da wirklich Sachen sieht, auf die noch niemand vorher gekommen ist. Gut, "Free Rainer" läuft nicht so rund wie vor vier Jahren das makellose "Die fetten Jahre sind vorbei". Ab und an holpert die Geschichte schon ganz schön, und arg lang ist sie auch. Aber das tut, ganz ehrlich, dem Vergnügen keinen Abbruch.
Brigitte

Pressestimmen auf film-zeit.de hier...

FILMKRITIK:

 „Hol Dir das Super-Baby“ heißt eine von TV-Produzent Rainer (Moritz Bleibtreu) konzipierte Show. Spermien der männlichen Kandidaten laufen darin um die Wette, zu gewinnen gibt’s ein einsames Mädel mit Mutterwunsch. Die Quote stimmt. Der Erfolg aber ist Rainer zu Kopf gestiegen. Arrogant bis zum Anschlag und stets die Nase in Kokainlinien getaucht lässt er sich feiern. In ihm herrscht hingegen Leere. Als er zu Beginn von „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ in seinen schwarzen Sportwagen steigt, einen ihn zuparkenden Polizeiwagen rammt, ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer durch Berlin rast und sich mit Hardcore-Rap im Ohr und wieder mal Koks im Hirn in Stimmung bringt, da ahnt er noch nicht, dass sich sein Leben bald verändern wird.
In diesen ersten Szenen – so übertrieben sie erscheinen mögen - hat Hans Weingartner bereits so viel Anarchie angelegt, dass es eine wahre Freude ist. Der eigentliche Akt der Rebellion aber steht erst noch bevor. Mit einem lauten Knall in seine Beifahrerseite nämlich tritt Pegah (Elsa Sophie Gambard) ins Leben des Fernsehproduzenten. Sie will mit dem absichtlich herbeigeführten Unfall ihren Großvater rächen, der als Schwimmtrainer in einer von Rainers Shows fälschlicherweise des Dopings bezichtigt wurde und sich das Leben nahm. Verletzt im Krankenhaus liegend wird Rainer in Alpträumen klar, wie seine Sendungen das Publikum beeinflusst haben und er dazu beitrug, dass das Niveau der Programme immer weiter sank und zur vielzitierten Volksverblödung beitrug. Zusammen mit Pegah und einem Team von Arbeitslosen macht sich Rainer nun daran, einen Teil der in repräsentativen Haushalten aufgestellten Quotenboxen zu manipulieren. Trotz mancher Panne und unvorgesehener Zwischenfälle: bald ist vom geistigen Frühling in Deutschland die Rede.

Hans Weingartner setzt mit „Free Rainer“ seinen Weg als Gesellschaftskritiker und Kinorevoluzzer konsequent fort. Spielten „Die fetten Jahre sind vorbei“ ein Szenario von Rebellion noch im Kleinen durch, so ist das aufrührerische Potenzial nun auf einer höheren, weitreichendere Konsequenzen vertragenden Stufe angelangt. Es geht nun gegen ein ganzes System, gegen die Institution Fernsehen mit positiven Veränderungen für das gesamte Volk. Die Dramatisierung der Ereignisse bis hin zu Krisensitzungen von Lobbygruppen mit besorgten Blicken einer Angela Merkel (großartiges Double!) und dem Gefühl, die innere Sicherheit Deutschlands könne durch die Manipulationen bedroht werden, wirken dabei einfach herrlich subversiv. Bewiesen wird außerdem, dass Geld nicht immer auch das Ende einer jeden Revolution bedeuten muss.

Moritz Bleibtreu ist als frustrierter, später dann gegen sein bisheriges Umfeld in den Kampf ziehender Produzent eine erstklassige Besetzung. Erst das Arschloch, dann der von seinem Vorhaben angefixte Rebell mit sogar sanften Seiten. Dass die kleine Liebesgeschichte mit Pegah am Rande bleibt, ist gut, sie hätte vom Thema ohnehin nur abgelenkt. So wie vor drei Jahren Julia Jentsch durch „Die fetten Jahre“ Bekanntheit erlangte, so könnte nun Elsa Sophie Gambard in ihrer zweiten Kinorolle („Schule“) ähnliches Blühen. Einmal mehr große Klasse ist auch Milan Peschel („Hände weg von Missisippi“, „Das wilde Leben“) als Verschwörungstheorien zugeneigter und soziophober Wachmann. Nicht zu vergessen das restliche Quotendrückerkommando (Tom Jahn, Robert Viktor Minich, Ralf Knicker, Andreas Brandt und Irshad Panjatan) und der weiterhin zu TV-Müll stehende Maiwald (Gregor Bloéb).

Gekonnt an „Free Rainer“ ist der fließende Übergang von Satire und Realität, ist sein freches Auftreten, ist der rebellische Look, der progressive Einsatz von Musik. Zusammen mit dem unverhohlenen – natürlich auch hier leicht übertreibenden - Blick hinter die Kulissen, hinein in Studios mit ihrem degenerierten Publikum, das Phrasendreschen in High-Society-Kreisen – all das zusammen ergibt eine Medien- und Gesellschaftskritik, die sich gewaschen hat. Man kann sich für Hans Weingartner nur Wünschen, dass seine Utopie ihm nicht nur Zuschauer bringt, sondern tatsächlich Veränderung im Konsumverhalten bewirkt.

Thomas Volkmann

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Rainer arbeitet bei einem Fernsehsender, dem es nicht auf die Qualität des Programms ankommt, sondern auf die Quote. Motto ist nicht Information und Volksbildung, sondern Sex und Volksverdummung. Rainer will das ändern.

Nachdem er sich mit seinem Vorgesetzten Maiwald zerkracht hat, sinnt er einerseits auf eine Verbesserung der Funktion des Mediums, andererseits aber auch auf Rache an seinem ehemaligen, Schund verbreitenden Sender. Außerdem zweifelt er ganz erheblich an der Methode zur Ermittlung der täglichen Quoten. Niemand kennt jemanden, bei dem ein Quotenerhebungsgerät platziert ist.

Gemeinsam mit einer Freundin stellt er eine kleine bunte Truppe zusammen, deren Mitglieder in den schließlich herausgefundenen einschlägigen Haushalten unter falschen Angaben die Quotenboxen auswechseln und, als das zu heiß wird, die nötigen Telefonzuleitungen manipulieren. Jetzt nutzen Rainer und Genossen die Möglichkeit, die Quoten für Spitzenprogramme nach oben schnellen zu lassen und die Volksverdummungssendungen zu kappen.

Die Freunde machen davon reichlich Gebrauch, und siehe da, die Stimmung in der Bevölkerung ändert sich, das Fernsehniveau steigt, die Menschen begrüßen das.

Wenn nur Maiwald nicht wäre. Der kommt Rainer und Co. auf die Schliche, und bietet, um die alten Fernsehmethoden, aber auch seinen Job zu retten, einen schnöden Deal an. Rainer und seine Freunde stehen vor einer Gewissensentscheidung. Dabei wäre nicht nur das Volk vor der Verblödung zu bewahren, sondern auch die Kaufsucht vieler Menschen zu stoppen und die Supermarkt-Konzerne zu zügeln.

Drei Dinge stechen hervor. Erstens: ein hochaktuelles Thema. Die Qualität des Fernsehens hat in den vergangenen Jahren auf bestürzende Weise und rapide abgenommen. Wohin das noch führen soll, steht in den Sternen. Hoffentlich kommt bald die Gegenbewegung.

Zweitens: Weingartner hat enorm viel in die Handlung gepackt. Das führte dazu, dass offenbar verkürzend, schematisch, unrealistisch vorgegangen werden musste. Das schadet dem Film.

Drittens: Die Typen sind originell ausgesucht und spielen auch gut. Moritz Bleibtreu ist der Star. Er agiert wuchtig, manchmal chargiert er allerdings ein wenig. Weingartner ist ein beachtlicher Regisseur. Alles in allem ein aktuelles und wichtiges Thema aufgreifender Film.

Thomas Engel