Freischwimmer

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Hintergründiges aus einer deutschen Kleinstadt: Ein Schüler stirbt nach dem Verzehr eines süßen Gebäcks, das eigentlich einem anderen gegolten hat. Der wird nun von Mitschülerinnen gemobbt, vom Freund seiner Mutter, der auch noch sein Schwimmlehrer ist, sowieso. Einzig Kunstlehrer Wegner scheint den hörgeschädigten Jungen zu verstehen. Wie der Rest des prominent besetzten Personals von „Freischwimmer“ hat auch der jedoch ein dunkles Geheimnis... Zu überraschen weiß Andreas Kleinerts düsterer und unterschiedlich zu deutender Kleinstadtthriller immer wieder auch mit einer überstilisierten Optik.

Webseite: www.freischwimmer.novapoolpictures.de

Deutschland 2007
Regie: Andreas Kleinert
Darsteller: Frederick Lau, August Diehl, Fritzi Haberlandt, Alice Dwyer, Dagmar Manzel, Devid Striesow, Jürgen Tarrach, Traute Hoess
110 Minuten
Verleih: Novapool Pictures
Kinostart: 8.5.2008

PRESSESTIMMEN:

...erzählt mit erfrischender Boshaftigkeit vom Leben in der deutschen Provinz. ...Andreas Kleinerts ideenreiche, liebevoll ausgeklügelte und befreiend unsentimentale Komödie beweist, dass den größten menschlichen Abgründen nur mit schauriger Ironie beizukommen ist.
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Ein Dorf erwacht. Bäcker und Apothekerin wünschen sich einen guten Morgen, die erste Touristengruppe bestaunt bereits das idyllisch in einem Tal gelegene Fachwerkstädtchen. Die Welt, so scheint’s, ist hier noch in Ordnung. Denkste. Bald darauf findet Kunstlehrer Martin Wegner (August Diehl) ein Angelmesser auf seinem Pult und muss sich der Außenseiter Rico (Frederick Lau, in einer ähnlichen Rolle aktuell auch in „Die Welle“) nach missglückter Tauchprüfung von den Mitschülern als Versager beschimpfen lassen. Frecherweise wird Rico dann auch noch von Schulschönling und Schwimmass Robert das offenbar von einer unbekannten Verehrerin auf seinen Kleiderspind gelegte Eclair vor der Nase wegschnabuliert. Das süße Puddinggebäck enthielt jedoch Gift, womit Robert tot ist und nun ein surreal anmutender Psychokrimi beginnt. 

Wer der Täter gewesen sein könnte, darauf gibt „Freischwimmer“ selbst eine Hinweis: sein Name beginnt mit einem R. Verdächtig wären damit auch die hübsche Schulblondine und Bäckertochter Regina (Alice Dwyer) wie auch Richard, der Freund von Ricos Mutter (Dagmar Manzel) und zugleich Schwimmlehrer der Schule. Devid Striesow spielt ihn mit gewohnt typischem Befehlshaberton, großer Unschuldsmine und anbiedernder Säuselei. Das letzte Puzzleteil für die Lösung gibt Grimme-Preisträger Andreas Kleinert erst ganz am Schluss preis. Ehrlich gesagt überrascht diese einen da schon nicht mehr, was auch mit den vorangegangenen, jedoch nicht unmittelbar mit dem Tod des Schülers in Verbindung stehenden Ereignissen zu tun hat.
Zur phantastischen Geschichte aus diesem Märchenland – das zumindest legen die überstilisierten und oft symbolgeladenen Bilder nahe – gesellt sich nämlich noch ein ebenso mysteriöses wie abartiges Projekt von Kunstlehrer Wegner. Der hat wie auch sein Schüler Rico ein Faible für Modellbau und konstruiert sich hinsichtlich Mobiliar wie auch originalgetreuen Puppen seine Schulklasse nach, um an ihnen einen wahnwitzigen Plan in die Tat umzusetzen. Rico merkt erst als es zu spät ist, was tatsächlich gespielt wird.

Zugegeben: das Bild eines oberflächlich perfekten Kleinstadtidylls, das sich mehr und mehr als pure Fassade bösartiger, ja kranker Motive entpuppt, ist ähnlich wie die Metapher der Modellbauwelt immer als ein Konstrukt einer vermeintlichen Realität zu erkennen. Ein Kernsatz von Kleinerts Film lautet daher auch: „Gute Modelle sind beinah wie das Leben, und eine gute Modellpuppe immer noch besser als ein schlechter Mensch.“ Martin Wegner und Rico, die beiden Hauptfiguren, sind darin beide von der Sehnsucht nach einem perfekten metaphysischen Zustand getrieben, einer Stille, die niemand in der Lage ist zu hören. Auf dieses Ohnmachtgefühl hin steuert der immer wieder wie ein böses Märchen wirkende „Freischwimmer“ zu. Dass die Schule auf den Namen Kafka hört, passt zur surrealen Stimmung. Der Mut, eine derart unkonventionelle Geschichte zu erzählen, lässt einen gespannt diesen raffiniert verwobenen, manchmal etwas plump, dann aber wieder auch beängstigend realistisch wirkenden Film verfolgen. Wenn am Ende wieder Postkartenidylle in der Provinzstadt herrscht, ist das wie ein Erwachen aus einem bösen Traum.

Thomas Volkmann

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Rico Bartsch ist ein Einzelgänger, der seine Schwerhörigkeit zuweilen gezielt einsetzt. Eines Tages wird sein Mitschüler Robert Greiner durch vergiftetes Gebäck getötet. Und bald stellt sich heraus, dass die Mordabsicht Rico galt. Wer aber kann diese Absicht gehabt haben? Es ist nicht herauszufinden.

Besonders traurig ist Rico über den Tod Greiners nicht, denn der fand Gefallen daran, ihn und die Lehrer zu schikanieren.

Regine ist eines der schönsten Mädchen an der Schule. Ihr gehört Ricos Interesse – oder mehr. Doch lange ist das ohne jede Aussicht. Aber nicht endgültig.

Ricos Mutter hat sich mit dem Sportlehrer Richard Sammer zusammengetan. Die Verständigung zwischen diesem und Rico ist allerdings alles andere als zufriedenstellend. Nicht zuletzt deshalb schließt sich Rico seinem Deutschlehrer Martin Wegner an. Der ist für den jungen Mann so etwas wie ein Vaterersatz. Die beiden nähern sich an, freunden sich an, harmonieren. Doch dann steht zu vermuten, dass mit Wegner etwas nicht stimmt.

Regisseur Andreas Kleinert wollte mit seinem Film erklärtermaßen gegen den Strich bürsten: formal gegen eine genormte filmische Realismusdarstellung; thematisch gegen eine kleinbürgerliche Ordnung, in der Gewalt und Böses möglichst versteckt werden müssen.

Das ist eher melancholisch oder düster, Überraschungen oder Schocks bietend, in den dramaturgischen Anordnungen nicht immer leicht identifizierbar. August Diehl (Wegner), Dagmar Manzel (Mutter), Devid Striesow (Sammer), Frederick Lau (Rico) und Fritzi Haberlandt (Lehrerkollegin) spielen – und zwar gut.

Die gesellschaftspolitische Absicht und die künstlerische Bemühung des Drehbuchautors Thomas Wendrich sowie des Regisseurs Andreas Kleinert sind einigermaßen geglückt.

Thomas Engel